Interview

Geldanlage wird sich ähnlich verändern wie das Straßenbild – Interview mit Markus Koch, Journalist und Börsianer aus Leidenschaft

ideas: Herr Koch, Sie sind, wenn man es so sagen darf, ein echtes Urgestein in der Börsenberichterstattung. Wie hat sich das Börsengeschehen aus Ihrer Sicht über die Jahre verändert?
Markus Koch: Eines ist gleichgeblieben: Menschen werden weiterhin von Angst und Gier getrieben. Alles andere hat sich verändert. Die wachsende Bedeutung von Derivaten und passiven Investments hat die Motorik der Wall Street genauso mutiert wie Technologie und der rasante Aufstieg von KI im Trading und im Vermögensmanagement. Geldanlage wird sich ähnlich verändern wie das Straßenbild. Autonomes Fahren ist auf dem Vormarsch, auch auf den Autobahnen der Finanzen.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie auch selbst an der Börse aktiv handeln. Wie gehen Sie bei der Auswahl Ihrer Investments vor?
Meine Welt ist vorrangig das Trading, zumal mein Start an der Wall Street beim American Heritage Fund und bei Bear Stearns war. Je nach Situation ziehe ich unterschiedlichste Indikatoren heran. Da spielen Stimmungsindikatoren wie das Put-/Call-Ratio, Bull-Bear-Spreads oder Momentum-Indikatoren eine genauso entscheidende Rolle wie DeMark-Indikatoren, Charts, Saisonalität und Zeitzyklen. Besonders gern trade ich im Umfeld extremer Angst und Gier. Da sind die Chancen groß, wenn man die Positionsgrößen richtig managt, Geduld mitbringt und weiß, wie man Verluste zu begrenzen hat.

Mussten Sie auch schon einmal richtig »Lehrgeld« bezahlen?
Absolut. Kurz nach der Jahrtausendwende habe ich einen Anteil meiner Firma an das Handelsblatt verkauft. Einen Teil des Erlöses habe ich in den maroden US-Einzelhändler Kmart investiert. Der Turnaround endete 2002 im Bankrott, mit den Aktien wertlos. Ich habe versucht, ein fallendes Messer zu fangen, habe durch Nachkäufe die Gewichtung aus dem Blick verloren und Verluste laufen lassen. Ein teurer, aber guter Lehrgang.

Sie sind in den USA zuhause. Wie bewerten Sie nach der Wahl Donald Trumps dort die Stimmung?
Trump erbt im Gegensatz zur ersten Amtsperiode ein anderes Umfeld. Die Bewertungen der Wall Street sind im historischen Vergleich hoch mit der Stimmung im Bereich der Euphorie und einer Wirtschaft, die läuft, und Ergebnissen der Unternehmen im S&P 500 auf Rekord. Die »Schock und Staunen«-Politik der Trump-Regierung erhöht vor allem zu Beginn seiner Amtszeit die Risiken eines größeren Rückschlags.

Die großen US-Indizes gaben in den vergangenen Jahren den Ton an. Kann das so weitergehen?
Im November haben US-Titel im MSCI World eine Gewichtung von fast 75 Prozent erreicht. Ein so hohes Ungleichgewicht ist ungesund und spiegelt, wie schief das globale Bild hängt. Die USA profitieren von durchaus auch auf Pump finanziertem Wachstum, aber auch von der Dominanz im Tech- und KI-Sektor, der im Vergleich zu Europa schneller wachsenden Produktivität und einem soliden Ertragswachstum der Unternehmen. Kurzum: Es gibt zu viele Einflussfaktoren, um einen Wendepunkt dieses Trends vorhersagen zu können.

Seit einigen Jahren sind Sie nicht nur im Fernsehen zu sehen, sondern auch auf YouTube. Hier hat Ihr Kanal »Markus Koch Wall Street« über 150.000 Abonnenten. Können Sie uns mehr dazu erzählen und wie Sie auf die Idee gekommen sind, auf YouTube aktiv zu werden?
Ich war Teil der Testgruppe, als Facebook mit Video-Streaming an den Start ging. Daraus ist die Idee des ersten Streaming-Studios an der Wall Street entstanden. 2020 folgte die Expansion mit einem neuen Studio. Social Media schafft die Basis des direkten Austauschs, mit dem Gespräch auf gleicher Augenhöhe. Das ist Gold wert, insbesondere an der Börse. Es hilft, Fehler zu vermeiden und Chancen im Zusammenspiel mit der Community zu finden.

Zusätzlich zum YouTube-Format »Opening Bell« bieten Sie unter 360WallStreet.de den kostenpflichtigen Service »Opening Bell+« an. Welche zusätzlichen Informationen erwarten die Nutzer hier?
Wir beleuchten täglich, welche News und Ereignisse die Wall Street dominieren werden, bis hin zu den detaillierten Up- und Downgrades der wichtigen Analysten. Im Fokus steht dabei auch mein Discord-Kanal, in dem alle Mitglieder im direkten Austausch mit mir und miteinander stehen. Hier werden Research und Trading-Ideen ausgetauscht. Außerdem gibt es Rabatte auf mein Merchandise und die Möglichkeit, an meinen Events teilzunehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.