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Niemand kommt mehr am Thema Nachhaltigkeit vorbei – Interview mit Prof. Dr. Christian Klein, Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel

ideas: Herr Prof. Klein, Sie sind Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel und Mitglied der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance. Seit wann beschäftigen Sie sich mit »Nachhaltigen Investments« und was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem Thema so intensiv auseinanderzusetzen?
Prof. Dr. Christian Klein: Inzwischen sind es schon deutlich über zehn Jahre, dass ich mich in der Forschung ausschließlich mit dem Themenbereich »Sustainable Finance« befasse. Ich wollte einfach irgendetwas Vernünftiges machen. Als Privatperson und Familienvater liegt mir die Enkeltauglichkeit unserer Welt doch sehr am Herzen. Und beruflich kann ich nun mal nur »Finance« …

Haben Sie damals erwartet, dass das Thema einmal so in das Interesse der Öffentlichkeit rückt?
Ich war tatsächlich immer davon überzeugt, dass das Thema groß werden wird. Dass es allerdings dominierend wird, so wie es jetzt ist, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Momentan kommt ja wirklich niemand an dem Thema vorbei. Und mir ist überhaupt nicht mehr langweilig.

Was waren Ihrer Meinung nach die Haupttreiber für diese Entwicklung?
Ich würde jetzt gerne sagen, dass wir alle vernünftig geworden sind oder dass die Fridays-for-Future-Bewegung die Finanzwelt aufgerüttelt hat. Aber die Wahrheit ist wohl, dass es die Regulierung war. Die Europäische Kommission lässt nach meinem Empfinden seit ca. fünf Jahren keinen Zweifel aufkommen, dass sie die Ziele des Pariser Klimaabkommens sehr ernst nimmt. Und sie verabschiedet Gesetze und Vorschriften, um diese Ziele zu erreichen. Sehr viele dieser Regelungen und Gesetze betreffen den Kapitalmarkt.

Bei Privatanlegern ist der Nachhaltigkeitsaspekt bei der Geldanlage häufig noch nicht im Fokus. Hier stehen eher die Renditechancen im Mittelpunkt. Aber muss es überhaupt »entweder oder« sein?
In der Vergangenheit war es so, dass man mit nachhaltigen Geldanlagen im Mittel eine mindestens so gute Performance erzielt hat wie mit konventionellen Geldanlagen. Das bedeutet natürlich nicht, dass das in der Zukunft auch so sein muss. Unsere Forschung zeigt, dass nicht schlechtere Renditechancen der Grund sind, warum Privatanleger nicht in nachhaltige Geldanlagen investieren. In Wirklichkeit wissen sie einfach nicht, dass es so etwas wie »nachhaltige Geldanlagen« überhaupt gibt bzw. was das sein soll.

Woran können Anleger erkennen, ob eine Anlage als nachhaltig eingestuft werden kann?
Hier hat die Regulierung dem Wildwuchs einen Riegel vorgeschoben und es wird auch noch einiges kommen. Die Gefahr, auf ein »Greenwashing«-Produkt hereinzufallen, ist heute wesentlich geringer als früher. Nachhaltige Geldanlagen müssen sich zum Beispiel heute einstufen in sogenannte Artikel-8- oder Artikel-9-Produkte. Vereinfacht gesagt ist »Artikel 8« hellgrün und »Artikel 9« dunkelgrün. Außerdem gibt es gute, unabhängige Siegel wie beispielsweise das FNG-Label (Forum Nachhaltige Geldanlagen).

Wagen wir einen Blick nach vorn: Was passiert in Zukunft mit nicht grünen Unternehmen am Kapitalmarkt? Vor allem mit denen, die nicht so einfach ESG-Kriterien erfüllen können, wie zum Beispiel Rüstungs- oder Tabakkonzerne?
Solche Unternehmen werden es schwerer haben, an Geld zu kommen. Vor allem Unternehmen, deren Geschäftsmodell nicht im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens steht oder problematisch für die Biodiversität ist, sollten sich Gedanken um die Zukunft machen. Und dann am besten ihr Geschäftsmodell transformieren.

Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.