Interview

Comeback der Small Caps: Wir sprachen mit Bastian Galuschka, Chefredakteur von stock3, über das abgelaufene Börsenjahr 2023 und seinen Ausblick auf 2024.

ideas: Herr Galuschka, Sie sind Chefredakteur von stock3. Können Sie uns etwas mehr rund um das Angebot von stock3 erzählen?
Bastian Galuschka: Sehr gerne! stock3 ist die Homebase für Trader und Anleger. Unsere Nutzer finden hier alles, was sie für ihren Börsenalltag brauchen: zahlreiche Möglichkeiten, sich zu informieren, zu analysieren und sich von Profis unterstützen zu lassen, um so letztendlich eine ausgewogene Trading-Entscheidung treffen zu können und sie auf stock3 auch direkt umzusetzen. Unsere Redaktion trägt einen großen Teil dazu bei, indem sie täglich die wichtigsten Börsennews für den Leser aufbereitet und hilfreichen Input liefert.

Neben stock3.com, auf der wir mehr auf Börsennews-Analysen und Co. setzen, legt unser personalisierbares stock3 Terminal den Fokus mehr auf die Technik dahinter. Dort kann der Nutzer Charts analysieren, Aktien screenen, Fundamentalanalyse betreiben und sich mit unseren Experten austauschen. Wer sich Hilfe holen möchte, findet bei uns zahlreiche Börsenprofis, die sich auf Bereiche wie den Intraday-Handel des DAX, den Aktienhandel oder den Handel von Kryptowährungen spezialisiert haben. Wurde die Anlageentscheidung gefällt, kann die Order auch direkt aus dem stock3 Terminal heraus abgesetzt werden. Unsere Multi-Brokerage-Lösung bietet die Möglichkeit, sich ohne Mehrkosten gleichzeitig mit mehreren Brokern zu verbinden und zu handeln. Das spart Zeit. Timing ist gerade beim Trading wichtig.

Sie haben also die Märkte immer im Blick. Wie ist Ihr Fazit für das abgelaufene Jahr?
Das Jahr 2023 hat viele Marktteilnehmer überrascht, mich ebenfalls. Gerade im ersten Halbjahr hatten die meisten noch weiter sinkende Kurse erwartet. Wie wir wissen, lief es völlig anders. Die Marktbreite, also der Anteil der Aktien, der die Aufwärtsbewegung mitmacht, war dennoch gering. Viele, gerade kleine Unternehmen litten tatsächlich unter dem hohen Zinsniveau. Und mit ihnen litten auch ihre Aktien.

Zum Zeitpunkt dieses Interviews notiert der Index der kleinen US-Unternehmen, der Russell 2000, auf Jahressicht im Minus. Der Nasdaq 100 dagegen mit den größten US-Tech-Unternehmen weist nach einem sehr schwachen Jahr 2022 ein Plus von 40 Prozent auf. Insgesamt ist die Zeit seit Corona eine Zeit der Extreme. Die Geldschleusen wurden nach der Pandemie weit geöffnet. Unternehmen, auch Firmen mit äußerst fragwürdigen Geschäftsmodellen, wurden regelrecht mit Geld zugeschüttet. Die Inflation stieg stark an. Seit 2022 steuern die Notenbanken wieder massiv dagegen.

Dass sich gerade die Big Techs in den USA 2023 so gut geschlagen haben, ist nicht nur dem KI-Hype geschuldet. Gerade diese Unternehmen stehen finanziell hervorragend da, profitieren mit ihren Cash-Bergen auch von höheren Zinsen. Dagegen haben viele aufstrebende und defizitäre Tech-Unternehmen Probleme. Wie bei vielen Immobilienbesitzern stehen auch in diesem Sektor Anschlussfinanzierungen an. Die Konditionen werden ganz andere sein als noch vor drei oder vier Jahren. Dieser Prozess ist in meinen Augen noch nicht abgeschlossen und wird auch zumindest in der ersten Jahreshälfte 2024 ein Thema bleiben.

Eine Marktbereinigung bei kleineren bis mittleren Unternehmen war nach den Exzessen der Vorjahre auch absolut notwendig. Small Caps haben teils 70, 80, 90 Prozent ihrer Höchststände 2021 abgegeben. Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen werden aber gestärkt aus dieser »Krise« hervorgehen.

Wie stehen die Chancen für bullishe Märkte für 2024?
Meiner Ansicht nach gut. Auf der Zinsseite dürfte es eher Entspannung geben, der Zinszyklus sollte abgeschlossen sein. Die US-Wirtschaft wächst bislang robust. Europa könnte sich so langsam aus der Krise herausarbeiten, wenngleich es immer noch viele hausgemachte Probleme gibt. Sorgenkind bleibt erst einmal China. Hier muss man genau hinsehen, ob die Volkswirtschaft 2024 die Kurve bekommen wird.

Bewertungstechnisch ist der US-Markt verglichen mit dem historischen Durchschnitt teuer. Das ist aber vorrangig auf die hochgewichteten und beliebten Tech-Aktien zurückzuführen. In der Breite ist der Markt gar nicht so teuer. Ich sehe daher vor allen Dingen abseits des »Mainstreams« Chancen.

Welche Sektoren haben Ihrer Meinung nach den größten Nachholbedarf?
Ich würde es nicht so sehr von Sektoren abhängig machen. 2022 hat beispielsweise gezeigt, dass eine zu starke Fokussierung auf Tech-Aktien auch temporär Probleme im Depot verursachen kann. Langfristig breit aufstellen lautet die Devise!

Dividendenstarke Value-Aktien waren 2023 nach einem guten Jahr 2022 nicht unbedingt en vogue. Sie haben den breiten Markt in Summe underperformt. Ausnahmen waren Aktien von Versicherern. Die Münchener Rück hat beispielsweise ein neues Allzeithoch markiert. Mit wieder sinkenden Zinsen werden auch Dividendenstorys wieder attraktiver. Außerdem sind Dividendenaktien oftmals ein Hedge, sollte sich die konjunkturelle Situation wider Erwarten doch deutlicher eintrüben. Die ausgeprägte Baisse im Nebenwertebereich sehe ich ebenfalls auslaufen. Wer hier selektiv vorgeht, hat in den kommenden Jahren Chancen, sich potenzielle Vervielfacher ins Depot zu holen. Eine Chance, wie es sie wahrscheinlich im Schnitt nur einmal im Jahrzehnt gibt. Gerade auch im Small-Cap-Bereich haben wir sehr gute Expertise in der Redaktion.

Sehr speziell, aber durchaus interessant: Biotech-Aktien haben nach dem Coronahype enttäuscht. Vorrangig große Werte wie BioNTech oder Moderna haben den Sektor belastet. Doch die Innovationsfreude dieser Unternehmen ist ungebrochen. Gerade auf dem Gebiet von CRISPR (Existenz sich wiederholender DNA-Abschnitte) könnte 2023/2024 der Durchbruch gelingen und erste Produkte auf den Markt kommen. Einzelwerte sind hier immer sehr riskant, aber man kann die Branche per ETF bespielen. Auch Aktien wie die Biotech-Beteiligungsgesellschaft BB Biotech sind in dem Bereich interessant und zahlen zudem eine ansehnliche Dividende.

Wie schätzen Sie die Marktbreite ein? Wird es auch in Zukunft so sein, dass einige wenige große Werte die Indizes bewegen – so wie wir es 2023 beim Nasdaq 100 beobachten konnten?
Das wird sich meiner Ansicht nach nicht so schnell ändern. Die großen US-Konzerne haben eine starke Marktmacht und sind in globalen Trends wie Cloud oder KI so gut positioniert, dass es schwer werden wird, da heranzukommen. Umso schöner ist es ja, wenn Firmen wie NVIDIA es überraschend schaffen, in die erste Riege aufzusteigen. Ich bin gespannt, ob das Thema Zerschlagung der Tech-Großkonzerne in den kommenden Jahren noch einmal aufkommen wird. Da war es zuletzt doch sehr ruhig. Für 2024 rechne ich damit, dass sich die Marktbreite verbessert.

Sie sind selbst aktiver Trader. Können Sie uns einen Einblick in Ihre eigenen Trading-Strategien geben?
So aktiv bin ich gar nicht mehr. Über die Jahre hat meine Handelsfrequenz nach und nach abgenommen. Ich werde tendenziell immer mehr zum Investor. Auch für den Nachwuchs habe ich beispielsweise ETF-Sparpläne abgeschlossen. Nichtsdestoweniger wird meine Liebe gerade auch für kleinere Aktien immer bleiben. Gute Storys auszugraben, Neubewertungsszenarien zu entdecken, im Idealfall vor der großen Masse, ist der Anspruch unserer Redaktion, aber natürlich auch von mir selbst.

Meine persönliche Herangehensweise wird immer eine Kombination aus Fundamental- und Chartanalyse sein: Gerade auch antizyklisch etwas kritisch zu hinterfragen, wenn die Masse sehr positiv gestimmt ist, und zu kaufen, wenn der Markt Züge von Panik zeigt, ist ein bewährtes Mittel an der Börse. Und das wird sich meiner Meinung nach auch nie ändern, weil immer wieder neue Anleger an die Börse gelangen, die nach den gleichen Mustern handeln wie die Generationen zuvor.