Aktuelles

Nachhaltigkeit ist keine Modeerscheinung – Interview mit Björn Andersen, Bereichsleiter Brokerage bei comdirect

ideas: Herr Andersen, als Bereichsleiter Brokerage bei comdirect beobachten Sie täglich die aktuellen Marktentwicklungen. Nach zwei Jahren »wilder Coronafahrt« legten die Börsen erst einmal den Rückwärtsgang ein. War es an der Zeit für eine Abkühlung?
Björn Andersen:
 Wir befinden uns derzeit in einer Situation der geopolitischen Unsicherheit. Inflationsentwicklung, Änderungen der Zins- und Geldmarktpolitik der Fed sowie Rezessionsängste beherrschen das Marktgeschehen. Die Investoren sind von der hohen Inflationsdynamik im Zuge der stark gestiegenen Energieträgerpreise überrascht worden und mussten ihre Anlagen für 2023 neu allokieren. Das führte zu erheblichen Verwerfungen in einzelnen Branchen und Sektoren. Eigentlich standen die Ampeln für das Börsenjahr 2022 konjunkturell auf Grün. Und nach der Coronapandemie hatten viele auf eine Renaissance der Unternehmen aus der »Old Economy« gesetzt.

Im November 2020 wurde comdirect in den Mutterkonzern Commerzbank integriert. Können Sie uns verraten, was sich seitdem getan hat und welchen Schwerpunkt comdirect künftig bei ihren Tätigkeiten legt?
Für den Kunden hat sich durch die Integration nichts im Leistungsangebot der comdirect geändert. Unser Ziel ist es weiterhin, unseren Kunden zu jedem Zeitpunkt die besten Produkte und einen erstklassigen Service anzubieten. comdirect als Marke der Commerzbank AG steht für ein umfassendes Brokerage-Angebot, eine digitale Vermögensverwaltung und ein passendes Konto- und Kartenangebot.

Ein Thema, das in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus der Anleger gerückt ist, ist das Thema Nachhaltigkeit. Welche Möglichkeit haben comdirect-Kunden, bei ihren Investments einen »grünen Ansatz« zu verfolgen?
Nachhaltigkeit ist keine Modeerscheinung, sondern ein Megatrend. Entsprechende Anlageprodukte werden von unseren Kunden immer mehr nachgefragt. Wir haben Mitte Februar dieses Jahres cominvest green an den Markt gebracht. Dieses Angebot von cominvest, die digitale Vermögensverwaltung der Marke comdirect, legt Kundengelder anhand strenger Nachhaltigkeitskriterien an. Rund ein Drittel der cominvest-Anleger entscheiden sich mittlerweile für das grüne Angebot. Und für alle Kunden, die ihre Anlage selbst managen wollen: Unser beratungsfreies Angebot weiten wir fortlaufend aus, vor allem im Angebot der ETFs und aktiven Fonds. Diese umfassen auch verschiedene Trendthemen und natürlich immer mehr Produkte für den Megatrend Nachhaltigkeit.

Eine weitere Entwicklung ist, dass gerade bei jüngeren Anlegern nicht mehr geheim zuhause investiert wird, sondern Trading-Ideen und -Entscheidungen lebhaft in Diskussionsforen ausgetauscht werden. Hier setzt comdirect mit dem sozialen Netzwerk »hi!stocks« an. Können Sie uns erzählen, was genau sich dahinter verbirgt?
hi!stocks bringt zwei Komponenten zusammen: das Trading von comdirect und die häufig genutzten Funktionen eines sozialen Netzwerks. So kann man Beiträge verfassen, Gruppen gründen und beitreten, um verschiedene (Anlage-)Themen zu diskutieren, Beiträge liken und Erfahrungen und Wissen verschiedenartig mit anderen Nutzern austauschen.

Das Alleinstellungsmerkmal von hi!stocks ist, dass man sich mit einem anonymisierten Profil registrieren und sein comdirect-Depot in der App verknüpfen kann. Dadurch bekommt man einen Einblick in Depots anderer Nutzer und kann sein eigenes Depot damit vergleichen. Dabei werden keine absoluten Werte veröffentlicht, sondern nur relative Ansichten zum Beispiel zur Depotstruktur und der Performance der Wertpapiere. Zusätzlich kann man sein Depot in drei Kategorien mit anderen Nutzern vergleichen: So kann man sich die Analysen seines Depots zur Diversifikation, der Performance und auch einem CO₂-Rating anschauen und das Depot entsprechend optimieren. Und sollten die Nutzer sich dann für die Umsetzung eines Trades entscheiden, so können sie die Wertpapiere ebenfalls direkt in der App handeln.

Dazu haben Sie eine Partnerschaft mit dem schwedischen Start-up StockRepublic etabliert. Welche weiteren Vorteile erwarten Ihre Kunden dadurch?
StockRepublic ist ein dynamisches und schnell agierendes Fintech, mit dem wir die App in den zurückliegenden Monaten für unsere Systeme entwickeln konnten. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dieser App eine Plattform anbieten, die es den Nutzern erleichtert und ermöglicht, sich auszutauschen und selbst ins Handeln zu kommen.

Bleiben wir noch einmal beim Thema Trading-Apps. Hier schätzen Kunden meistens die unkomplizierte Orderaufgabe, die meist nur wenige Klicks benötigt. Gibt es auch bei comdirect Bestrebungen, den Orderprozess zu vereinfachen?
Wir haben gelernt, dass comdirect beim Online-Orderprozess insbesondere für jüngere Kunden zu komplex ist. Wir haben daher beschlossen, unseren Orderprozess genau in diesen Punkten anzupassen und die Vielzahl der Orderprozesse zu einem Prozess zusammenzuführen.

Darüber hinaus haben wir viele weitere Verbesserungen integriert. So vereinfacht beispielsweise eine interaktive Vorschlagsfunktionalität die Wertpapiersuche und ein Euro-Stücke-Rechner erleichtert die Umrechnung eines Orderbetrags in die jeweilig zu ordernde Stückzahl eines Wertpapiers. Bei der Gestaltung des neuen Prozesses standen die Themen bessere Übersicht, leichtere Bedienbarkeit und kürzere Klickwege an vorderster Stelle. Seit Mitte August steht die neue comdirect-Ordermaske als Betaversion einigen Kunden im Live-Betrieb zur Verfügung. Es werden also bereits echte Orders damit aufgegeben. Bis Ende des Jahres erweitern wir den Funktionsumfang der Betaversion schrittweise und arbeiten zudem das Kundenfeedback unserer Testkunden ein. Im kommenden Jahr werden wir dann die neue Ordermaske allen Kunden zur Verfügung stellen und die bestehenden Orderprozesse ablösen.

Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.