Chartformationen, Teil 5: Rechteckformation

Die Rechteckformation zählt in der Technischen Analyse zu den recht einfach zu identifizierenden Chartmustern. Sie bietet Spielraum für mehrere unterschiedliche Handelsansätze und kann sowohl für Trendfolger als auch für antizyklisch agierende Anleger interessant sein. In der Werkzeugkiste des technisch orientierten Traders sollte sie daher nicht fehlen.

Unter Technischen Analysten kursieren unterschiedliche Bezeichnungen für das Chartmuster. Neben Rechteckformation sind vor allem Trading-Range, Stauzone (Congestion Area), Trading-Box und Linie (Line) verbreitet. Keine Unstimmigkeiten herrschen hingegen mit Blick auf die Identifizierung einer Rechteckformation. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kurse zwischen zwei parallel verlaufenden horizontalen Linien seitwärts tendieren. Damit die Seitwärtsbewegung einen Prognosewert erhält, ist zudem zu fordern, dass beide Begrenzungen der Handelsspanne mindestens zweimal abwechselnd angelaufen werden und es dort zu Umkehrpunkten kommt. Etwas Feingespür ist bei der Frage erforderlich, wie nahe die jeweiligen Hochpunkte und die jeweiligen Tiefpunkte beieinanderliegen müssen. Eine 100-prozentig exakte Übereinstimmung des Kursniveaus der Umkehrpunkte findet man nur gelegentlich vor. Wie bereits im Zusammenhang mit dem wichtigen Technische-Analyse-Konzept von Widerstand und Unterstützung im Rahmen dieser Reihe dargelegt, stellen Widerstände und Unterstützungen keine exakten Punkte, sondern Zonen dar. Geringfügige Überschreitungen oder Unterschreitungen der vergangenen Hoch- und Tiefpunkte sowie ein knappes Nicht-Erreichen dieser Hoch- und Tiefpunkte stellen die Gültigkeit der Rechteckformation nicht infrage. Die Frage, was »geringfügig« und »knapp« im Einzelfall bedeutet, muss im Kontext mit der Höhe der Formation gesehen werden. Eine Möglichkeit, dies zu objektivieren, wäre die Festlegung einer maximalen prozentualen Abweichung (beispielsweise 3 oder 5 Prozent), wobei der Abstand zwischen dem ersten Tiefpunkt und dem ersten Hochpunkt als 100 Prozent festgelegt wird. Eine solche Vorgehensweise hat sich allerdings bislang noch nicht durchgesetzt.

Grafik 1: Rechteckformation (Trendfortsetzung)

Volumen und Kursziel
In der überwiegenden Zahl der Fälle stellt die Rechteckformation eine Konsolidierung des vorausgegangenen Trends dar und fällt damit in die Kategorie der Trendfortsetzungsformationen. Von der analytischen Bedeutung her kann das Muster am ehesten mit dem zuletzt besprochenen symmetrischen Dreieck verglichen werden. Der entscheidende Unterschied ist, dass die Begrenzungslinien eben nicht konvergieren, sondern parallel horizontal verlaufen. Ein frühzeitiger bestätigender Hinweis für das Vorliegen einer Trendfortsetzungsformation kann in der Regel im Volumenverhalten gefunden werden. Bewegungen in Richtung des vorausgegangenen Trends sollten von höherem Handelsvolumen begleitet werden als Bewegungen in die Gegenrichtung. Ein umgekehrtes Volumenverhalten wäre als erster Hinweis für das Vorliegen einer Umkehrformation zu werten. Das sonst bei Fortsetzungsformationen anzutreffende Ausdünnen des Handelsvolumens im Verlauf der Ausbildung des Kursmusters ist allerdings bei der Rechteckformation aufgrund der größeren Kursausschläge nicht zu beobachten. Das eigentliche Kauf- oder Verkaufssignal entsteht in jedem Fall erst mit dem nachhaltigen Ausbruch aus der etablierten Handelsspanne. In einem Tageschart findet der Ausbruch dabei meistens nach ein bis drei Monaten statt, doch kann das Muster aufgrund des fraktalen Charakters der Marktbewegungen auch im Intraday-Chart oder im Monatschart auftauchen. Das analytische Mindestkursziel ergibt sich, indem man die Höhe der Formation in Ausbruchsrichtung projiziert.

Grafik 2: Rechteckformation (Trendumkehr)

Trade-Management
Sobald die Rechteckformation als solche identifiziert wurde, besteht die Möglichkeit, an den Begrenzungszonen der Handelsspanne antizyklisch zu agieren. Das bedeutet, an der Unterstützung der unteren Begrenzung auf steigende Kurse zu setzen und am Widerstand der oberen Begrenzung auf fallende Notierungen zu spekulieren. Ein schützender Stop-Loss kann dann in geringem Abstand jenseits der Begrenzungen platziert werden, sodass das Risiko im Vergleich zur Chance (Kursziel: anderes Ende der Handelsspanne) niedrig ist. Solange aufgrund des Volumenverhaltens vom Vorliegen einer Fortsetzungsformation ausgegangen werden kann, empfiehlt sich jedoch in erster Linie – getreu dem Motto »The trend is your friend« –, nur die übergeordnet trendkonformen Einstiege zu suchen. Entsprechend würden Anleger antizyklisch long gehen, wenn die untere Range-Begrenzung getestet wird und der Trend vor der Etablierung der Rechteckformation aufwärtsgerichtet ist. Prozyklisch agierende Anleger warten hingegen den Ausbruch aus der Formation ab und positionieren sich dann in Ausbruchsrichtung. In diesem Fall könnte ein anfänglicher Stop-Loss beispielsweise in der Nähe der Mitte der Range oder jenseits der gegenüberliegenden Range-Begrenzung gesetzt werden.