Wissen

Faktor-Zertifikate – Was bedeutet Pfadabhängigkeit?

Mit der Entwicklung der Faktor-Zertifikate gelang der Commerzbank eine der größten Innovationen der vergangenen Jahre im Bereich strukturierte Produkte. Viele Anleger schätzen diese Produktfamilie als Möglichkeit, mit einem konstanten Hebel an der Entwicklung einer ganzen Reihe von Basiswerten zu partizipieren.

In der vorherigen ideas-Ausgabe haben wir uns mit der genauen Funktionsweise der Faktor-Zertifikate beschäftigt. Zur kurzen Wiederholung: Die Faktor-Zertifikate der Commerzbank beziehen sich auf einen entsprechenden, individuell für das jeweilige Produkt berechneten Strategie-Index. Der Index gibt die prozentuale Veränderung des Basiswerts unter Berücksichtigung des entsprechenden Hebels auf täglicher Basis wieder. Je nach Basiswert fließt neben der Hebelkomponente ebenfalls eine Finanzierungs- bzw. Zinskomponente (inklusive einer Indexgebühr) in die tägliche Indexberechnung mit ein. Mit jedem Basiswertschlusskurs wird ein neuer Referenzkurs des Index bestimmt, der wiederum die Basis für die prozentuale Wertentwicklung des Folgetags darstellt.

Somit ist bei der Renditebetrachtung über einen längeren Zeitraum folgende Besonderheit zu beachten: Die Rendite des Basiswerts in diesem Zeitraum kann nicht mit dem entsprechenden Faktor multipliziert werden, um die Rendite des Faktor-Zertifikats zu bestimmen. Hingegen muss bei der Berechnung der Faktorrendite jede einzelne tägliche Performance des Basiswerts bezogen auf den Schlusskurs des Vortags berücksichtigt werden. Somit entsteht eine Verkettung der Tagesperformances, die man als Pfadabhängigkeit bezeichnet. Dies bedeutet, dass für die Kursstellung eines Faktor-Zertifikats, anders als beispielsweise bei Turbo-Optionscheinen, nicht nur der aktuelle Kurs des Basiswerts relevant ist, sondern die historische Entwicklung des Basiswerts, sprich der »Pfad« des Kursverlaufs, eine maßgebliche Rolle spielt.

Befindet sich der Basiswert des Faktor-Zertifikats in einer Trendphase, profitiert der Anleger von der Pfadabhängigkeit und erzielt überproportionale Erträge. Steigt der Basiswert von beispielsweise 100 Euro vier Tage lang konstant um 1 Euro auf 104 Euro, so entspricht der Kursgewinn des Basiswerts 4 Prozent, während der Anstieg eines Faktor-4x-Long-Index nicht nur 16 Prozent, sondern sogar 16,70 Prozent beträgt (siehe Tabelle und Grafik 1). Fällt der Basiswert über vier Tage konstant um 1 Euro auf 96 Euro, so entspricht der Verlust des Faktor-Zertifikats nicht 16 Prozent, sondern nur 15,30 Prozent (siehe Tabelle und Grafik 2). In beiden Beispielen wurde zur besseren Verständlichkeit die Finanzierungs- bzw. Zinskomponente nicht berücksichtigt.

Tabelle 1: Positive Trendphase – Basiswert versus Faktor-4x-Long-Index

Basiswert

Faktor-4x-Long-Index

Tag

Schlusskurs

Veränderung

Schlusskurs

Veränderung

1

100,00 EUR

10,00 Pkt.

2

101,00 EUR

+1,00 %

10,40 Pkt.

+4,00 %

3

102,00 EUR

+0,99 %

10,81 Pkt.

+3,96 %

4

103,00 EUR

+0,98 %

11,23 Pkt.

+3,92 %

5

104,00 EUR

+0,97 %

11,67 Pkt.

+3,88 %

Quelle: Commerzbank AG

Grafik 1: Positive Trendphase – Basiswert versus Faktor-Index

Nach fünf Tagen notiert der Basiswert bei 104 Euro und der Faktor-Index bei 11,67 Punkten

Tabelle 2: Negative Trendphase – Basiswert versus Faktor-4x-Long-Index

Basiswert

Faktor-4x-Long-Index

Tag

Schlusskurs

Veränderung

Schlusskurs

Veränderung

1

100,00 EUR

10,00 Pkt.

2

99,00 EUR

–1,00 %

9,60 Pkt.

–4,00 %

3

98,00 EUR

–1,01 %

9,21 Pkt.

–4,04 %

4

97,00 EUR

–1,02 %

8,83 Pkt.

–4,08 %

5

96,00 EUR

–1,03 %

8,47 Pkt.

–4,12 %

Quelle: Commerzbank AG

Grafik 2: Negative Trendphase – Basiswert versus Faktor-Index

Nach fünf Tagen notiert der Basiswert bei 96 Euro und der Faktor-Index bei 8,47 ­€‚Punkten

Diese Pfadabhängigkeit kann jedoch bisweilen zu Missverständnissen führen. Eine von Anlegern oftmals gestellte Frage lautet, wieso das Faktor-Zertifikat, obwohl der Basiswert denselben Kursstand wie bei Erwerb des Produkts hat, deutlich unter dem Einstandskurs notiert. Dieses Phänomen ist dabei der Funktionsweise des Produkts geschuldet.

Dies soll am Beispiel in Tabelle und Grafik 3 illustriert werden: In einem Beobachtungszeitraum von fünf Tagen notiert ein fiktiver Basiswert am ersten sowie am letzten Tag bei 100 Euro. Der Kurs zwischen diesen beiden Zeitpunkten kann nun, je nach angenommener Schwankungsbreite des Basiswerts, nahezu unendlich viele verschiedene Pfade eingeschlagen haben. Mit jedem Kursverlauf unterscheidet sich dann auch der Kurs des entsprechenden Faktor-Zertifikats an Tag 5.

Die Berechnung des Strategie-Index wird im Folgenden anhand eines Faktor-4-Strategie-Index Long über fünf Tage beispielhaft illustriert (siehe Tabelle 3). Bei den angegebenen Kursen des Basiswerts handelt es sich dabei um den jeweiligen Schlusskurs; der Einfluss von Finanzierungs- bzw. Zinskomponente (inklusive der Indexgebühr) wurde hierbei zugunsten einer besseren Nachvollziehbarkeit der Funktionsweise vernachlässigt.

In Tabelle 3 notiert der Basiswert am Ende des Betrachtungszeitraums von fünf Tagen wieder bei 100 Euro. Aufgrund der Verkettung, die die tägliche Kursentwicklung des Basiswerts bei der Indexberechnung berücksichtigt, kann nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass auch das Faktor-Zertifikat bei seinem Ausgangsniveau notiert. Vielmehr wird es einen Verlust aufweisen, der umso stärker ausfällt, je länger der Basiswert um das Ausgangsniveau pendelt und je höher die Faktorzahl ist. In unserem Beispiel mit Faktor 4 kommt es zu Verlusten von bis zu 1,10 Prozent.

Tabelle 3: Phase seitwärts tendierender Kurse – Basiswert versus Faktor-4x-Long-Index

Basiswert

Faktor-4x-Long-Index

Tag

Schlusskurs

Veränderung

Schlusskurs

Veränderung

1

100,00 EUR

10,00 Pkt.

2

101,00 EUR

+1,00 %

10,40 Pkt.

+4,00 %

3

99,00 EUR

–1,98 %

9,57 Pkt.

–7,92 %

4

102,00 EUR

+3,03 %

10,73 Pkt.

+12,12 %

5

100,00 EUR

–1,96 %

9,89 Pkt.

–7,84 %

Quelle: Commerzbank AG

Grafik 3: Phase seitwärts tendierender Kurse – Basiswert versus Faktor-Index

Nach fünf Tagen notiert der Basiswert bei 100 Euro und der Faktor-Index bei 9,89 Punkten

Fazit
Die unterschiedliche Entwicklung der Strategie-Indizes illustriert dabei die Abhängigkeit der Wertentwicklung der Zertifikate vom Kursverlauf des Basiswerts. Es wird deutlich, dass ein Seitwärtsmarkt für den Anleger bei Faktor-Zertifikaten in der Regel negative Auswirkungen hat. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass der jeweilige Faktor-Index die Bewegungen des Basiswerts überproportional bzw. unterproportional stark nachvollzieht (siehe Grafik 1 und 2). Da die prozentuale Performance des Basiswerts unter Berücksichtigung der Hebelkomponente auf den Indexstand des Vortags Anwendung findet, werden die entsprechenden Indexzuwächse bzw. -abnahmen des Vortags mitberücksichtigt. Dieser Effekt ist ähnlich dem Zinseszinseffekt. Die Stärken eines Faktor-Zertifikats liegen damit klar in Trendphasen, in denen aufgrund dieses Effekts – trotz konstanten Hebels – überproportionale Wertzuwächse erzielt werden können.

Eine Übersicht aller Faktor-Zertifikate der Commerzbank steht Ihnen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.de zur Verfügung.