Interpretation von Fehlsignalen
Als Anleger lebt man ständig in der Ungewissheit. Keine Methode, die Finanzmärkte zu analysieren, verfügt über den Heiligen Gral oder die viel zitierte Glaskugel. Entsprechend sind Fehlsignale und sich nachträglich als falsch herausstellende Einschätzungen selbst für erfahrene Anleger absolut unvermeidbar. Dies muss man beim Risikomanagement berücksichtigen, da man sonst früher oder später unweigerlich finanziellen Schiffbruch erleidet. Doch lässt sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Trade erfolgreich wird, mit wenig Aufwand erhöhen. In dieser und der nächsten Folge widmen wir uns den Themen Vermeiden von Fehlsignalen, Reaktion auf Fehlsignale und Ausnutzen von Fehlsignalen.
Der Erfolg eines Anlegers hängt vom durchschnittlichen Gewinn pro Gewinn-Trade, dem durchschnittlichen Verlust pro Verlust-Trade und dem Verhältnis von Gewinner-Trades zu Verlust-Trades ab. Um die letztgenannte Stellschraube, gemeinhin als Trefferquote bezeichnet, soll es nun gehen. Dabei sollte man sich sehr bewusst machen, dass eine hohe Trefferquote allein keine ausreichende Bedingung für profitables Handeln ist. Schließlich lässt sich die Trefferquote bereits dadurch extrem erhöhen, dass man Gewinne schnell realisiert und den anfänglichen Stop-Loss möglichst weit entfernt setzt. Hierdurch erzielt man zwar prozentual betrachtet viele Gewinner-Trades, die dabei generierten vielen kleinen Gewinne werden jedoch durch die überproportional großen Verluste bei den wenigen Verlust-Trades wieder zunichtegemacht. Eine hohe Trefferquote hat daher zunächst vor allem eine psychologische Bedeutung. Eine grundsätzlich profitable Handelsstrategie kann von Tradern mental leichter umgesetzt werden, falls die Trefferquote der Strategie hoch ist. Es existieren viele profitable Strategien mit einer Trefferquote im Bereich zwischen lediglich 30 und 40 Prozent. Dabei kann es jedoch häufig vorkommen, dass der Anleger drei, vier, fünf oder noch mehr Verlust-Trades in Folge hinnehmen muss. Nicht wenige Anleger würden bei einer solchen Negativserie Zweifel an der Strategie bekommen und sie aufgeben. Ziel des Anlegers sollte daher sein, unter Berücksichtigung der eigenen Risikobereitschaft, eine mental ausreichend hohe Trefferquote bei einem möglichst hohen Chance-Risiko-Verhältnis zu erreichen. Die Chance (erwarteter Gewinn bei Erreichen des Trade-Ziels) sollte idealerweise mindestens doppelt so hoch sein wie der realisierte Verlust bei Auslösung des Stop-Loss.
Grafik 1: Verkaufssignal Bearish Engulfing am Widerstandscluster aus gleitendem Durchschnitt, Fibonacci-Retracement, Trendlinie und horizontalem Widerstand
Filter anwenden und Synergien nutzen
Möchte man die Zahl der Verlust-Trades innerhalb einer Strategie verringern, müssen zusätzliche Filter eingebaut werden, die dazu dienen, Fehlsignale bzw. Fehlausbrüche zu vermeiden. Der Anleger wird hierdurch zu einer selektiveren Vorgehensweise gezwungen, was die Zahl der Trades und die Transaktionskosten senkt, solange man nicht im Gegenzug das gehandelte Anlageuniversum entsprechend ausweitet. Handelt der Anleger den Ausbruch aus einer Formation oder über einen Widerstand bzw. unter eine Unterstützung, bietet es sich an, Zeit- und Preisfilter zu verwenden, um die Zuverlässigkeit des Ausbruchssignals zu erhöhen. Bei einer aus dem Tageschart heraus entwickelten Trading-Idee kann der Anleger zum Beispiel einen Tagesschluss, drei Tagesschlüsse oder einen Wochenschluss jenseits des relevanten Widerstands bzw. der Unterstützung als Bestätigung abwarten. Zudem kann die Wahrscheinlichkeit der Nachhaltigkeit eines Ausbruchs durch prozentuale Filter – üblich sind im Bereich des Tagescharts 1 oder maximal 2 Prozent bei kurzfristigen Trades und 3 Prozent bei mittel- bis langfristigen Trades – erhöht werden. Der Nachteil bei Zeit- und Preisfiltern, mit dem man sich das geringere Risiko eines Fehlsignals erkauft, ist die Reduktion des möglichen Gewinns. Hier muss im Einzelfall beurteilt werden, ob der ins Auge gefasste Trade dann noch mit Blick auf das Gewinnziel und damit das Chance-Risiko-Verhältnis attraktiv erscheint. Ein weiterer wichtiger Filter ist das Handelsvolumen als Indikator. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlausbruchs oder eines Fehlsignals sinkt, falls der Ausbruch oder das Signal bei deutlich erhöhtem Handelsvolumen zustande kommt. Bei der Frage, ob das Volumen in diesem Sinne deutlich erhöht ist, ist ein Vergleich mit der unmittelbaren Vergangenheit erforderlich. Zu beachten ist dabei, dass das Volumen erfahrungsgemäß bei Long-Signalen größere Bedeutung hat als bei Short-Signalen.
Um Fehlsignale zu vermeiden, kann es ferner hilfreich sein, die Saisonalität zu beachten. Viele Chartprogramme und einige Webseiten bieten Saisonalitätscharts an. Mit ihrer Hilfe lässt sich visuell ansprechend über viele Jahre zurückblicken und herausfinden, in welchen Zeiträumen innerhalb eines Kalenderjahrs der zugrunde liegende Basiswert typischerweise über saisonalen Rückenwind oder Gegenwind verfügt. Beachtet der Anleger dann innerhalb einer Handelsstrategie nur die Kaufsignale in der Zeit positiver Saisonalität und nur die Verkaufssignale in der Zeit negativer Saisonalität, kann er die Wahrscheinlichkeit für Fehlsignale weiter absenken. Vor allem bei antizyklischen Einstiegsstrategien, bei denen der Anleger auf eine Umkehr der zuletzt vorherrschenden Trendbewegung setzt, liefern Sentiment-Indikatoren einen weiteren Mehrwert bei der Reduktion von Fehlsignalen. Anleger können kostenlosen Zugriff auf entsprechende Daten erhalten, wenn sie bei den wöchentlichen Umfragen der deutschen Anbieter sentix oder animusX teilnehmen. Die grundsätzliche Herangehensweise gemäß dem Prinzip der »Contrary Opinion« lautet, nur dann antizyklisch einzusteigen, wenn sich das kurzfristige Anlegersentiment entweder extrem pessimistisch (beim Long-Einstieg) oder extrem euphorisch (beim Short-Einstieg) darstellt. Schließlich sei noch auf die Nützlichkeit der Clusteranalyse hingewiesen. Sie kann sowohl bei Ausbruchsstrategien als auch beim antizyklischen Einstieg fruchtbar gemacht werden und reduziert die Häufigkeit von Fehlsignalen signifikant. Dabei beachten Anleger bei Ausbrüchen und Umkehrbewegungen vorrangig Widerstandszonen und Unterstützungszonen, die sich nicht aus lediglich einem Thema ableiten lassen, sondern aus einer Mehrzahl unterschiedlicher Themen resultieren. So ist beispielsweise der Ausbruch über eine Widerstandszone zuverlässiger, wenn die Hürde nicht nur aus einem vergangenen Hochpunkt (einfacher Widerstand), sondern zugleich aus einem Fibonacci-Retracement, einer relevanten gleitenden Durchschnittslinie und einer Trendlinie (Widerstandscluster) herrührt. Entsprechend sind Bodenbildungssignale auf einem Supportcluster zuverlässiger, als wenn die potenzielle Trendwende auf einer einfachen Unterstützung resultierend aus einem vergangenen Hoch oder Tief stattfindet.
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