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Volatilität – Gradmesser für das Risiko

In der vorherigen ideas-Ausgabe haben wir uns mit der Optionsbewertung mittels der Black-Scholes-Formel beschäftigt. In diese Formel geht als wesentlicher Parameter die Volatilität ein, um den Preis einer Option zu bewerten. Denn die Volatilität hat einen entscheidenden Einfluss auf den Preis vieler Produkte. Daher sehen wir uns in dieser Ausgabe die Volatilität genauer an.

Historische Volatilität
Zunächst unterscheidet man zwei Arten der Volatilität: die »historische« und die »implizite« Volatilität. Mathematisch ist die historische Volatilität die Standardabweichung logarithmierter Renditen, berechnet für einen bestimmten Zeitraum; sie wird meist annualisiert dargestellt. Einfacher gesagt ist sie die in Prozent ausgedrückte Schwankungsbreite, mit der sich der Preis eines Wertpapiers in einem betrachteten Zeitraum verändert. Häufig wird die historische 30-Tage- oder 260-Tage-Volatilität veröffentlicht. Die historische Volatilität beschreibt, wie groß die Schwankungsintensität beispielsweise eines Aktien- oder Devisenkurses in einem bestimmten Zeitraum war, sie macht dabei keine Aussage, ob der Kurs des jeweiligen Basiswerts gestiegen oder gefallen ist.

Die 260-Tage-Volatilität der Allianz-Aktie liegt beispielsweise derzeit bei ca. 18 Prozent, während die Volatilität der Zalando-Aktie mehr als doppelt so hoch bei fast 50 Prozent liegt. Das bedeutet, dass der Aktienkurs der vergleichsweise niedrig kapitalisierten Zalando im Durchschnitt mehr als doppelt so stark geschwankt ist wie die des Versicherungsunternehmens aus München.

Um die historische Volatilität zu berechnen, werden vergangenheitsbezogene Daten herangezogen, daher ist sie ungeeignet, um sie zur Optionspreisberechnung zu verwenden, denn hier muss die erwartete Volatilität berücksichtigt werden. Für die Preisstellung von Optionsscheinen und Zertifikaten, die Emittenten für ihre Produkte anbieten, wird deshalb die implizite Volatilität verwendet.

Implizite Volatilität
Um die implizite Volatilität zu berechnen, betrachtet man zunächst die Preisstellung von Optionskontrakten am Terminmarkt, beispielsweise der EUREX (der Terminmarkt der Deutschen Börse) oder der CBOE (Chicago Board Options Exchange) in den USA. Aus den hier ermittelten Preisen der Optionen, die durch Angebot und Nachfrage entstehen, werden durch eine mathematische Methode (Black-Scholes-Formel) die impliziten Volatilitäten errechnet, die dann als Grundlage für die Berechnung von Optionsscheinen und Zertifikaten genutzt werden können.

Beispiel: An der EUREX kostet eine Call Option (am Geld) bezogen auf die Aktie der Allianz mit einem Basispreis in Höhe von 220 Euro und einer Laufzeit bis September 2024 15,20 Euro. Verwendet man nun ein Standardpreismodell zur Berechnung der Volatilität, ergibt sich ein Wert von ca. 20 Prozent. Die so ermittelte implizite Volatilität variiert allerdings je nach Basispreis und Laufzeit der Option. Es gibt also nicht »die« implizite Volatilität eines Basiswerts, beispielsweise steigt bei Optionen tendenziell die Volatilität, je weiter der Basispreis unterhalb des gegenwärtigen Aktienkurses liegt.

Die aus den Preisen der Optionen errechnete Volatilität bezeichnet man auch als Markt- oder »faire« Volatilität, da die Optionspreise, wie bereits erwähnt, durch Angebot und Nachfrage entstehen. Möchte nun ein Emittent einen Optionsschein mit gleicher Ausstattung preisen, könnte er diese Volatilität als Parameter in seine Berechnung einfließen lassen. Das bedeutet letztendlich: Je höher die Preise an der EUREX, desto höher die daraus berechnete implizite Volatilität, desto höher die Preise der Optionsscheine der verschiedenen Emittenten.

Auch der Privatanleger kann die implizite Volatilität für seine Anlageentscheidungen nutzen. Denn sie ist ein Indikator für die Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung eines Aktienkurses und somit ein Gradmesser für das Risiko einer bestimmten Aktie oder eines Index. Dies kann man sehr gut in den Tagen vor den angekündigten Geschäftszahlen oder vor wichtigen Unternehmensmitteilungen sehen. In dieser Zeit ist regelmäßig ein mehr oder weniger starker Anstieg der impliziten Volatilität zu beobachten. Meist unabhängig von guten oder schlechten Neuigkeiten fällt nach der Verkündung die implizite Volatilität deutlich ab, weil die Unsicherheit mit der Veröffentlichung ebenfalls deutlich sinkt.

Es gibt für den Anleger eine weitere Möglichkeit, die implizite Volatilität zu nutzen: Er kann damit Produkte verschiedener Emittenten, die sich beispielsweise nur geringfügig durch wenige Tage Laufzeit unterscheiden, miteinander vergleichen. Die meisten Finanzportale zeigen mittlerweile die Kennzahl neben den entsprechenden Produkten an. Hier gilt: Je geringer die Volatilität, desto günstiger der Optionsschein.