Warum kommt es zu Handelsstörungen und -ausfällen?

Emittenten oder andere von ihnen beauftragte Unternehmen stellen als »Market Maker« unter gewöhnlichen Marktbedingungen regelmäßig Ankaufs- und Verkaufskurse für die von ihnen begebenen Wertpapiere (Zertifikate, Anleihen, Optionsscheine). Dennoch kann es dazu kommen, dass Emittenten den Handel in ihren Produkten aussetzen bzw. Produkte nicht gehandelt werden können. Kritiker behaupten zuweilen, dass die Emittenten den Handel absichtlich aussetzen, damit Anleger Produkte nicht verkaufen können mit der Folge, dass sie unter Umständen hohe Verluste hinnehmen müssen. Tatsächlich haben Emittenten hieran kein Interesse, denn Handelsstörungen und -ausfälle laufen auch den Interessen der Emittenten zuwider.

Die Handelbarkeit von Wertpapieren wird durch eine ganze Reihe von Faktoren beeinflusst. In den Prozess sind neben dem Emittenten auch weitere Parteien involviert. Hierzu gehören auch Datenprovider, Skontroführer und die Bank des Wertpapierinhabers. Ausfälle oder Handelseinschränkungen können ihre Ursache auf jeder Stufe der Prozesskette haben. Die Übersicht in Grafik 1 stellt die beteiligten Parteien dar.

Grafik 1: Beteiligte Parteien an der Prozesskette für den Pricing-Prozess

MÖGLICHE GRÜNDE FÜR HANDELSSTÖRUNGEN UND -AUSFÄLLE

Störungen beim Handel im Basiswert
Störungen beim Handel im Basiswert sind die häufigsten Ursachen für das Aussetzen von Quotierungen. Es gibt verschiedene Arten von Störungen im Basiswert.

Kein Handel im Basiswert
Betreiber von Handelssystemen können den Handel mit Finanzinstrumenten aussetzen, wenn dies zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Handels oder zum Schutz der Anlegerinteressen geboten scheint. So kann der Handel eines Basiswerts beispielsweise ausgesetzt werden, wenn wichtige Ereignisse oder Nachrichten erheblichen Einfluss auf den Kurs des Basiswerts haben können. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein Übernahmeangebot in Bezug auf den Emittenten eines Basiswerts veröffentlicht wurde. Auch bei Marktturbulenzen findet unter Umständen kein Handel in einem oder mehreren Basiswerten statt.

In solchen Fällen können Emittenten in der Regel auch keinen Kurs für Produkte stellen, die sich auf diesen Basiswert beziehen.

Extreme Kursveränderungen
Immer wieder treten bei den Kursen der Basiswerte oder bei den zugrunde liegenden Optionen und Futures plötzlich ungewöhnlich starke Schwankungen auf. Grundsätzlich sind Emittenten nicht verantwortlich für die Kursstellung der Basiswerte. Dennoch setzen sie in einem solchen Fall von ungewöhnlich starken Schwankungen für kurze Zeit – nämlich für die Dauer der Prüfung und der neuen Berechnung des Preises – den Handel in den betroffenen Produkten aus. In dieser Zeit prüfen die Händler die Gründe für diese extremen Veränderungen. Sie untersuchen, ob es sich hierbei beispielsweise um einen Eingabefehler oder um eine echte Kursbewegung (zum Beispiel aufgrund von Dividendenausfällen) handelt. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, wird der Handel wieder aufgenommen. Durch diese sorgfältige Prüfung sind die Emittenten häufig sogar in der Lage, einen im Vergleich zum Basiswert engeren Spread für ihre Wertpapiere zu stellen. Davon profitieren wiederum die Anleger.

  • Störung bei der Datenversorgung des Emittenten: Emittenten berechnen die Preise für die von ihnen emittierten Wertpapiere mithilfe von Marktdaten, die sie von dritten »Marktdatenanbietern« beziehen. Wenn diese Kursdaten der Aktienmärkte und der Basiswerte nicht geliefert werden, können die Emittenten keine Preise berechnen, da den Preissystemen die Grundlage für die Preisberechnung fehlt.

  • Störung am internen Handelssystem des Emittenten: Die Preise werden überwiegend von Computern berechnet. Hier können in Ausnahmesituationen Hardware- oder Softwareprobleme oder Stromausfälle auftreten.

  • Übertragungsfehler zwischen Emittenten, Börsen und der Bank des Kunden: Der Handel fällt auch aus, wenn beim börslichen Handel Übertragungsfehler auf dem Weg vom Emittenten zur Börse über Skontroführer oder Market Maker auftreten. Solche Übertragungsfehler können durch technische Probleme entstehen oder auch menschliche Ursachen haben.

  • Störungen bei der Bank des Kunden: Technische Störungen können auch im Betrieb der Bank des Wertpapierinhabers auftreten, sodass auch hierdurch der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren für den Kunden zeitweise eingeschränkt oder unmöglich sein kann.

  • Feiertag an der Heimatbörse: Bei bestimmten Produkten, die sich auf im Ausland notierte Basiswerte beziehen, kann es gelegentlich auch zu Einschränkungen bei der Kursstellung kommen, weil dann von der Heimatbörse des Basiswerts keine entsprechenden Referenzkurse zur Verfügung gestellt werden.

  • Sonstige Störungen

Ausfälle durch höhere Gewalt
Auch wenn es unwahrscheinlich ist, kann es doch vorkommen, dass die Handelsräume, Telefon- und Internetleitung sowie Großrechner aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse wie Wasserschäden, gekappte Kabel bei Bauarbeiten, Störungen bei Telefonprovidern etc. ausfallen. Die meisten Emittenten haben für solche durch höhere Gewalt eintretenden Handelsausfälle entsprechende Notfallkonzepte (zum Beispiel Notfallarbeitsplätze, alternative Serverräume). Auch wenn solche Alternativen zur Verfügung stehen, ist ihre Inbetriebnahme nicht in jedem Fall über ein sogenanntes Hot Standby gewährleistet, das heißt, ihre Inbetriebnahme kann eine gewisse Zeit dauern.

DIE ROLLE DES EMITTENTEN – ERMESSENSSPIELRAUM UND ÖKONOMISCHE INTERESSEN

Ökonomisches Interesse des Emittenten
Emittenten und Händler von Wertpapieren haben ein unmittelbares ökonomisches Interesse daran, dass der Handel störungsfrei verläuft; jede Handelsunterbrechung bedeutet für sie Einnahmeausfälle. Darüber hinaus sichert nur ein störungsfreier Handel die Handelsqualität des Emittenten und das langfristige Vertrauen der Anleger in den Emittenten und seine Produkte. Jeder Ausfall ist auch ein Imageschaden für die Emittenten.

Ferner sichern (hedgen) Emittenten die eigenen Zahlungs- und Lieferverpflichtungen, die sich aus ihren Produkten gegenüber Anlegern ergeben, grundsätzlich ab. Die Emittenten profitieren daher weder von einem etwaigen Verlust eines Kunden noch von einem in einer Handelsunterbrechung entgangenen Gewinn des Kunden. Emittenten nehmen vielmehr eine neutrale Position ein. Handelsunterbrechungen liegen nicht in ihrem Interesse.

Wirksamer Anlegerschutz/Ermessen des Emittenten
Wenn der Emittent die Preisstellung aussetzt, um die Ursache von extremen Kursveränderungen zu untersuchen, erfolgt die Handelsaussetzung in seinem Ermessen. Dieses nutzt er allerdings nicht willkürlich aus. Vielmehr dient der Ermessensspielraum in erster Linie dem Anlegerschutz. Würde der Handel in Phasen überraschender Preisschwankungen nicht ausgesetzt, würden zwischenzeitlich Kurse gestellt, die möglicherweise auf falschen Annahmen beruhen. Um trotz hoher Unsicherheit in solchen Marktphasen Preise zu quotieren, würden sich die Geld-Brief-Spannen spürbar ausweiten. Eine solche Kursstellung trotz Aussetzung des Basiswerts würde zu Lasten des Anlegers gehen, da Bestens-/Billigst-Orders dann zu sehr ungünstigen Preisen ausgeführt würden.