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Teil 5 – Börsenabgang (Delisting)

Vor vier Jahren entschied Michael Dell, der Gründer des einst größten PC-Herstellers Dell, das Unternehmen von der Börse zu nehmen. Im letzten Jahr wurde das weltweit bekannte Karrierenetzwerk LinkedIn von Microsoft übernommen, während Keurig Green Mountain von einer Investorengruppe akquiriert wurde. Nach dem Beschluss der beiden Übernahmen wurden anschließend die jeweiligen Aktien aus dem Börsenhandel genommen.

Börsenabgang, auch als Delisting bezeichnet, bedeutet die dauerhafte Einstellung der Börsennotierung einer Aktie bzw. Aktiengesellschaft. Der Börsenabgang stellt eine Kapitalmaßnahme (auf Englisch »corporate action«) im weiteren Sinne dar, da es zu keiner Veränderung des Grundkapitals kommt. Es handelt sich um einen verwaltungsrechtlichen Vorgang, mit dem die Aktie dauerhaft aus dem Börsenhandel herausgenommen wird.

Wieso wird eine Aktie von der Börse bzw. aus dem Börsenhandel entfernt?
Für solch eine Entscheidung gibt es verschiedene Gründe. Die jeweilige Börsenaufsicht oder Finanzdienstleistungbehörde (beispielsweise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht [BaFin] in Deutschland oder die Securities and Exchange Commission [SEC] in den USA) können ein Delisting veranlassen, wenn ein ordnungsgemäßer Handel in dem Wertpapier nicht mehr gewährleistet werden kann. Dies kann nach einem Squeeze-Out der Fall sein, wenn der Mehrheitsaktionär die restlichen Kleinaktionäre per Barabfindung hinausdrängt. Erfüllt ein Unternehmen nicht mehr die Börsennotierungspflichten oder wird es insolvent, kann dies auch zum Delisting der entsprechenden Aktien führen.

Weitere Gründe für einen Börsenabgang können die Vermeidung von umfassenden Publizitätspflichten oder ein Going Private sein. Das Letztere ist oft bei einem Unternehmenszusammenschluss oder einer Übernahme der Fall, wie damals beim Computerhersteller Dell, denn im Rahmen einer Private-Equity-Transaktion sollte das Unternehmen (bzw. die Aktien) übernommen werden. Ein Börsenabgang bedeutet nicht zwangsweise eine neue Strategieausrichtung für ein Unternehmen. Im Fall Dell wollte der alte und neue Besitzer Michael Dell das Unternehmen abseits von Aktionärsinteressen radikal umbauen.

Keurig Green Mountain wurde von JAB Holding Company und einigen großen Investoren übernommen und sollte Teil der globalen Kaffeeplattform von JAB werden. Dennoch sollte Keurig Green Mountain weiterhin ein eigenständiges Unternehmen bleiben, das auf die Herstellung von Spezialkaffee, Kaffeemaschinen und damit verbundenen Technologien sowie weiteren Getränkesorten spezialisiert ist. Mit dem Zukauf von LinkedIn will Microsoft das Wachstum der Karriereplattform beschleunigen, und zwar durch die Verstärkung von Bezahlangeboten und den Einsatz von gezielterer Werbung. Auch LinkedIn bleibt eine eigene, unabhängige Marke.

Welche Folgen hat das Delisting einer Aktie für die Inhaber von Optionsscheinen und Zertifikaten?
Wenn es zur Einstellung der Börsennotierung einer Aktie an der maßgeblichen Börse kommt, kann die Commerzbank die Optionsscheine bzw. Zertifikate außerordentlich kündigen. Die Einstellung der Börsennotierung der Aktie stellt laut Verkaufsprospekt ein außergewöhnliches Ereignis dar. Die Emittentin kann durch Bekanntmachung zum außerordentlichen Kündigungstermin die Produkte kündigen. An solch einem Kündigungstermin werden die Zertifikate zum außerordentlichen Kündigungsbetrag je Zertifikat eingelöst. Der Betrag wird von der Emittentin nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Marktumfelds sowie etwaiger Erlöse aus Geschäften, die die Emittentin zur Absicherung der Übernahme und Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus den Zertifikaten vorgenommen hat, festgelegt.

Aufgrund der Ankündigung eines möglichen Börsenabgangs der Aktie stellt die Commerzbank alle Optionsscheine und Zertifikate auf die betroffene Aktie auf Sold-Out, das heißt, es werden nur Geldkurse quotiert, sodass Kunden jederzeit ihre Stücke verkaufen können. Die Commerzbank hat auch die Möglichkeit, Produkte, die kein Outstanding haben, sofort zu delisten. Das haben Produktmanager der Commerzbank im Falle von Produkten auf alle drei zuvor beschriebenen Aktien getan.

Bis vor Einstellung der Notierung der Dell-Aktie gab es ein Outstanding auf den Put Optionsschein mit der WKN CZ1 5G1, sodass der Optionsschein außerordentlich gekündigt wurde. Die Dell-Aktie wurde am 29. Oktober 2013 von der Börse genommen. Der Schlusskurs, mit welchem der Optionsschein bewertet wurde, lag bei 13,86 US-Dollar. Da der Basispreis des Put Optionsscheins 8,00 US-Dollar betrug und der Basispreis somit unter dem Schlusskurs der Aktie lag, betrug der Kündigungsbetrag je Optionsschein 0 Euro. Bei einem Dell-Schlusskurs beispielsweise von 7,00 US-Dollar hätte der innere Wert des Optionsscheins 1,00 US-Dollar betragen. In diesem Fall wäre der Kündigungsbetrag das Ergebnis aus dem inneren Wert multipliziert mit dem Bezugsverhältnis und dividiert durch den Euro/US-Dollar-Wechselkurs.