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Bezugsverhältnisse – Wozu werden sie benötigt?

Ob bei Aktien, Zertifikaten oder Optionsscheinen, in der Börsenwelt stößt man oft auf den Begriff »Bezugsverhältnis«. Für Aktienbesitzer kommt dieser Begriff zur Sprache, wenn eine Aktiengesellschaft eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtemission durchführen möchte. Mithilfe von Bezugsrechten haben die Altaktionäre die Möglichkeit, ihren prozentualen Unternehmensanteil aufrechtzuerhalten. Dabei gibt das Bezugsverhältnis an, wie viele neue (junge) Aktien erworben werden können für eine bestimmte Anzahl der alten Aktien. So hat beispielsweise die Manz AG am 20. April 2016 eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht für die Aktionäre beschlossen. Das Bezugsverhältnis betrug 7:3, während sich der Bezugspreis der neuen Aktien auf 34,74 Euro belief. Das bedeutete, dass jeder Aktionär für sieben alte Aktien drei neue Aktien für 34,74 Euro beziehen konnte. Ein Inhaber von beispielsweise 1.400 Manz AG-Aktien hatte so die Möglichkeit, weitere 600 neue Aktien zu erwerben.

In der Zertifikate- und Optionsscheinwelt sind Bezugsverhältnisse ein »Muss«. Denn das Bezugsverhältnis gibt an, wie viele Zertifikate oder Optionsscheine notwendig sind, um eine Basiswerteinheit zu beziehen. Das Ganze lässt sich am einfachsten anhand von Beispielen erläutern.

Beispiel 1: Index-Zertifikat auf den EURO STOXX 50
Das Unlimited Index-Zertifikat der Commerzbank auf den EURO STOXX 50 (WKN: 702 978) hat ein Bezugsverhältnis von 100:1. Das heißt, dass 100 Zertifikate notwendig sind, um eine EURO STOXX 50-Einheit zu »erwerben«. Bei einem EURO STOXX 50-Stand von beispielsweise 3.000 Punkten notiert das Zertifikat bei 30,00 Euro. Da in der Produktbeschreibung ein Indexpunkt 1 Euro entspricht (3.000 Punkte entsprechen 3.000 Euro), könnte man theoretisch mit 100 gekauften Zertifikaten den Index mit 3.000 Euro beziehen.

Beispiel 2: Partizipations-Zertifikat auf Silber
Ein Unlimited Partizipations-Zertifikat auf Silber (WKN: CZ5 267) hat hingegen ein Bezugsverhältnis von 1:1 und sein Preis entspricht mit 16,30 Euro dem aktuellen Preis von 1 Unze Silber umgerechnet in Euro. Hätte das Silber-Zertifikat ein Bezugsverhältnis von 100:1, würde es lediglich 0,16 Euro kosten.

Anstelle der Bezeichnung Bezugsverhältnis wird in der Praxis auch der Begriff Ratio verwendet. Auch die Darstellungsform kann variieren. So wird das Bezugsverhältnis häufig auch als Dezimalzahl angegeben (100:1 entspricht 0,01).

Beispiel 3: Optionsschein auf Allianz
Ein Optionsschein-Inhaber hat theoretisch das Recht, eine Einheit eines Basiswerts (zum Beispiel eine Aktie) zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem festen Preis zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Bei Optionsscheinen bestimmt das Bezugsverhältnis die Anzahl der Optionsscheine, die benötigt werden, um eine Aktie zu kaufen oder zu verkaufen.

Der Call Optionsschein auf die Allianz (WKN: CE4 GVY) mit einem Basispreis von 135,00 Euro, einer Restlaufzeit bis zum 15. Februar 2017 und einem Bezugsverhältnis von 10:1 kostet 0,81 Euro. Somit benötigt der Call Optionsschein-Inhaber theoretisch zehn Optionsscheine (mit einem Gegenwert von insgesamt 8,10 Euro), um eine Allianz-Aktie zu 135,00 Euro zu beziehen.

Das Bezugsverhältnis bestimmt somit den Preis des Produkts, denn je höher das Bezugsverhältnis ist, umso billiger ist das Zertifikat bzw. der Optionsschein. Einige Anleger stellen sich nun bestimmt die Frage: Wieso braucht man überhaupt ein Bezugsverhältnis? Denn ohne (das heißt mit einem Bezugsverhältnis von 1:1) ist doch die Preisberechnung viel einfacher.

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach. Denn die jahrelange Emissionserfahrung hat gezeigt, dass Anleger lieber günstigere Produkte erwerben als teurere. So haben sich die meisten Emittenten von Zertifikaten und Optionsscheinen dafür entschieden, bei »teuren« Produkten ein Bezugsverhältnis einzuführen.

Des Weiteren kann ein Bezugsverhältnis auch hilfreich sein, um Produkte teurer oder überhaupt bezahlbar zu machen. Typische Beispiele sind Zertifikate und Optionsscheine auf Währungen und bestimmte Rohstoffe, deren Preisschwankungen gewöhnlich auf der dritten oder vierten Nachkommastelle erfolgen. Ihre Bezugsverhältnisse betragen oft 10 oder 100.

Beispiel 4: Turbo-Zertifikat auf den Kaffee-Future (Coffee Future)
Der aktuelle Coffee Future (mit Fälligkeit im Dezember 2016) notiert derzeit bei 172,22 US-Cent pro Pfund Kaffee. Das Unlimited Turbo-Zertifikat Bear mit einem Basispreis in Höhe von 1,7917 US-Dollar und einem Bezugsverhältnis von 1:10 (0,1:1) notiert bei einem Euro/US-Dollar-Wechselkurs von 1,1064 US-Dollar bei einem Geld-/Briefkurs von 0,63/0,64 Euro ((1,7917 – 1,7222) / 1,1064 x 10 = 0,63). Ohne das Bezugsverhältnis wäre eine Kursbewegung des Coffee Future mit einem Zehntel und Hundertstel Cent gar nicht abzubilden.

Bei der Investition in Optionsscheine und Zertifikate sollten Anleger also auch immer einen Blick auf das Bezugsverhältnis werfen. Vor allem beim Vergleich von Produkten bezüglich ihrer Geld-Brief-Spanne (Spread). Denn 1 Cent (0,01 Euro) Spread bei einem Bezugsverhältnis von 10:1 (bzw. 0,1) gleicht 10 Cent (0,10 Euro) Spread bei einem Bezugsverhältnis von 1:1.

Ist ein Bezugsverhältnis immer konstant?
In der Regel sind Bezugsverhältnisse konstant, sie werden bei Emission festgelegt und ändern sich während der Laufzeit nicht mehr. Es kann allerdings in einem bestimmten Fall zu einer Ausnahme kommen, und zwar im Falle einer Kapitalmaßnahme einer Aktiengesellschaft. Daher kann es bei Optionsscheinen und Zertifikaten bezogen auf Aktien dazu kommen, dass sich ihr Bezugsverhältnis während der Laufzeit ändert. Nur ein kurzes Wiederholungsbeispiel: Kommt es zu einem Aktiensplit von 1:2 (aus einer alten Aktie werden zwei neue Aktien), würde sich auch das Bezugsverhältnis vom oben genannten Allianz-Optionsschein von 10:1 auf 5:1 ändern, da man jetzt fünf Optionsscheine braucht, um eine Aktie zu beziehen (da sich Basispreis und Aktienkurs auch halbiert haben).