Interview
Wirtschaftsthemen ins Deutsche übersetzen – Interview mit Markus Gürne, Ressortleiter der ARD-Finanzredaktion
ideas: Herr Gürne, wenn Ihnen zu Schulzeiten jemand gesagt hätte, dass Sie einmal vor der Tagesschau die Börsennachrichten präsentieren, was hätten Sie ihm geantwortet?
Markus Gürne: Sehr unwahrscheinlich. Ich hatte mich fest entschlossen, das Jurastudium anzugehen und Jurist zu werden. Einerseits hat das auch geklappt, ich konnte das Studium beenden. Aber während ich mit Radio machen in Tübingen mein Studium finanzierte, entdeckte ich die Liebe zum Journalismus und zu Wirtschaftsthemen. So wurde ich am Ende Journalist mit Jurastudium – diese Mischung war dann ganz gut.
Worin liegen die Herausforderungen bei der Vermittlung komplexer Finanzthemen an ein breites Publikum?
Es geht immer um die Frage, wie man ein Wirtschaftsthema übersetzen kann ins Deutsche. Wenn die Sprache stimmt, die Beispiele aus der Lebenswirklichkeit der Leute kommen, dann merkt man, dass sie beginnen, sich zu interessieren und Fragen zu stellen, weil sie verstehen, dass Wirtschaft sehr viel mit ihnen selbst zu tun hat.
Gibt es bestimmte Momente oder Sendungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Ja, eine Sendung über Geld und Glauben. Ich hatte einen 10-Euro-Schein in die Kamera gehalten und erklärt, wie viel dieses bedruckte Stück Papier im Grunde wert ist, wir aber daran glauben, dass wir den Gegenwert von 10 Euro dafür bekommen. Nur weil wir daran glauben, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde dies mit ihrer Unterschrift auf dem Schein garantiert. Ich hatte in der anderen Hand einen 10-Gürne-Schein mit meinem Foto drauf und meinte »ich garantiere Ihnen, dass Sie dafür den Gegenwert von zwei Kaffee beim Bäcker bekommen«. Glaubte aber leider keiner. Aber der Beweis war erbracht – Geld und Glauben, nämlich das Vertrauen in das Geld, das hat viel miteinander zu tun.
Wie verändert sich der Wirtschaftsjournalismus im Zeitalter von TikTok, Instagram und Co.?
Er wird aufwendiger, denn die Wirtschaftsthematik wird ja nicht leichter, aber die Formate werden kürzer. Und es ist eine Teamaufgabe. Die jüngeren Kollegen kennen sich besser mit den Ausspielwegen wie TikTok aus, aber die älteren haben mehr Berufserfahrung – die richtigen Teams aus beiden Kompetenzen zu bilden ist die Aufgabe.
Wie sehen Sie die Chancen und Risiken, die durch den Einfluss von Finfluencern auf das Anlegerverhalten entstehen?
Es gibt beides – Chancen und Risiken. Viele Finfluencer haben gute Ideen, Dinge zu erklären und aus einer bestimmten Sicht zu beleuchten, aber wie immer gibt es Trittbrettfahrer und auch Ideen mit einer bestimmten Idee, die nur das eigene Geschäftsinteresse bedienen soll. Daher ist es so wichtig, auf diesem Themenfeld Wirtschaft und Finanzen seriöse und gute Angebote von unseriösen unterscheiden zu können.
Ein zentrales Problem in Deutschland ist die Finanzierung der Rente. Inwiefern können Ihrer Meinung nach Anlagen an den Kapitalmärkten eine Lösung des Problems sein?
Europa bietet eine wunderbare Möglichkeit zu schauen, wie andere mit diesem Thema umgehen. Schweden hat ganz ähnliche gesellschaftliche Herausforderungen wie wir, auch wenn das Land deutlich weniger Einwohner hat. Aber gerade beim demografischen Wandel und der Frage nach der Finanzierung der Rente kann man von Schweden viel lernen. Sie haben im Norden vor einiger Zeit bereits eine kapitalgedeckte Komponente zusätzlich zur umlagefinanzierten Rente eingeführt. Funktioniert gut – warum also nicht mal schauen, wie die Schweden es gemacht haben? Und ganz nebenbei. Wenn die Politik hierzulande bei dem Thema nicht schnell in die Gänge kommt, dann gibt es gerade beim Thema Geld die wunderbare Möglichkeit für die Menschen, es selber machen zu können. Was es braucht dazu ist Finanzbildung. Und die liefern unter anderem wir.
Was muss sich Ihrer Meinung nach verändern, damit die oft noch bestehenden Vorbehalte gegenüber dem Aktienmarkt weiter abgebaut werden?
Die Erkenntnis sollte Einzug halten, dass ein Land ohne nennenswerte Rohstoffe und einem Geschäftsmodell des Exports eine Bevölkerung braucht, die mehr ökonomischen Sachverstand hat. Denn die Geopolitik wird ihren Teil dazu beitragen, dass wir mehr Druck bekommen. Solange wir also noch ökonomische Kraft haben, sollten wir sie nutzen. Als Gesellschaft und Bürger.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.

