Interview

Kryptowerte werden erwachsen – Interview mit Prof. Dr. Philipp Maume, Professor für Corporate Governance and Capital Markets Law, TU München

ideas: Herr Prof. Maume, Sie sind Professor für Corporate Governance and Capital Markets Law an der TU München. Einer Ihrer Schwerpunkte ist das Recht der Kryptowerte. Was hat Sie dazu bewogen, sich näher mit dieser Thematik zu beschäftigen?
Prof. Philipp Maume: Bei neuen Technologien stellt sich immer die Frage, wie man sie rechtlich erfassen kann. Das erfordert regelmäßig eine gewisse technische Affinität – die naturgemäß an einer Technischen Universität sehr verbreitet ist. Man muss ausgetretene Denkpfade verlassen, gleichzeitig kann man dabei sein, ein neues Rechtsgebiet zu erschließen und die Regulierung mit zu beeinflussen. Kryptowerte wie Bitcoin sind hierfür ein hervorragendes Beispiel. Ganz simpel: So macht wissenschaftliches Arbeiten Spaß.

Könnten Sie die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen für Kryptowerte in Deutschland erläutern und deren Auswirkungen auf Unternehmen und Investoren beschreiben?
Die Kryptoregulierung findet in erster Linie auf EU-Ebene statt. Durch die MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-Assets Regulation), die seit Jahresanfang voll anwendbar ist, hat die EU als erster großer Wirtschaftsraum umfangreiche Regeln für Emission, Handel und Dienstleistungen im Kryptobereich erlassen. Hinzu kommen Gesetze zu DLT-Handelsplätzen (Distributed Ledger Technologie/»Verteiltes Kontenbuch«) und zu Geldwäsche im Kryptobereich. Auf deutscher Ebene gibt es mit dem KMAG (Kryptomärkteaufsichtsgesetz) ein Begleitgesetz, das weitere EU-Vorgaben umsetzt. Dieses neue Regelwerk bringt für Investoren mehr Sicherheit, da es strikte Vorgaben für die Akteure auf den Kryptomärkten macht. Das soll das Marktvertrauen stärken. Man könnte sagen: Die Märkte für Kryptowerte werden erwachsen. Damit werden sie auch für professionelle Investoren interessant.

Wie schätzen Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für Kryptowerte in Deutschland und in Europa im internationalen Vergleich ein? Gibt es Länder, die Ihrer Meinung nach als Vorbilder dienen könnten?
Hier stellt sich eine grundsätzliche Frage – wollen wir ein möglichst effizientes, wachstumsförderndes System mit wenig Regulierung? Damit waren Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Singapur oder auch die Schweiz bislang durchaus erfolgreich. Oder wollen wir striktere Regeln, die zwar zu Lasten von Effizienz und Wachstum gehen, dafür aber dem Markt mehr Stabilität verleihen? Hierfür hat sich die EU entschieden. Das halte ich im Grundsatz für den einzig langfristig sinnvollen Weg, denn nur so kann man verlässliche Zahlungssysteme und Handelsplätze auf Blockchainbasis entwickeln. Die große Frage ist aber, ob die neuen Regeln auch »gut« sind – bei komplexen neuen Rahmenwerken besteht die Gefahr, dass man Aspekte übersieht oder falsch einschätzt und dann die Regulierungsschrauben zu fest anzieht. Ich bin viel in Kontakt mit Kollegen aus dem außereuropäischen Ausland, und die schauen sehr genau hin, ob die EU ein sinnvolles Haus für die Kryptomärkte gebaut hat oder aber sie zu Tode reguliert. Man könnte also formulieren, dass die EU hier das weltweite Vorbild ist. Nur ist eben noch nicht klar, ob im Guten oder im Schlechten.

Welche Verbesserungen der Rahmenbedingungen sollte die neue Bundesregierung aus Ihrer Sicht auf diesem Gebiet anstreben?
Auf nationaler Ebene sind die Handlungsoptionen der Bundesregierung begrenzt. Zu überlegen ist, wie man Kryptoinvestments auch steuerlich attraktiv macht, um Kapital anzuziehen. Essenziell wird sein, dass man die BaFin als Aufsichtsbehörde gut ausstattet und dafür sorgt, dass dort eine Kultur des Ermöglichens und nicht des Verhinderns vorherrscht.

Einige Unternehmen akzeptieren Kryptowährungen, vor allem den Bitcoin, bereits als Zahlungsmittel. Wie sehen Sie die Zukunft des Bitcoin als Zahlungsmittel? Glauben Sie, dass er trotz der hohen Kursschwankungen als »übliches« Zahlungsmittel etabliert werden kann?
Der Bitcoin war als Zahlungsmittel konzipiert. Inzwischen hat er sich als Anlageklasse etabliert. Er ist auch als Wertaufbewahrung interessant, um sich gegen Inflation zu schützen. Bitcoin wird sich aber nicht als allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel etablieren. Erstens bestehen Zweifel, ob das Bitcoin-Netzwerk die schiere Menge an Transaktionen, wie sie beispielsweise Kreditkartenanbieter abwickeln, überhaupt stemmen könnte. Zweitens ist Bitcoin viel zu volatil. Schwankungen von 5 bis 10 Prozent pro Tag sind keine Seltenheit. Das ist für Unternehmen sehr unattraktiv. Wollten diese Bitcoin in großem Umfang zu Zahlungen nutzen, müssten sie sich gegen Schwankungen absichern, was wiederum aufwendig und teuer ist. Daher gilt als ausgemacht, dass nicht Bitcoin, sondern Stablecoins eine echte Chance haben, sich als Zahlungsmittel zu etablieren.

Was ist bei Stablecoins anders?
Stablecoins sollen im Wortsinn »stabil« sein. Ein typisches Beispiel sind Stablecoins, deren Wert dem US-Dollar (zum Beispiel der Marktführer Tether) oder dem Euro entspricht. Wird diese Stabilität dauerhaft erreicht und vertrauen die Marktteilnehmer dem Emittenten, dann bietet sich eine höchst effiziente Alternative zu den klassischen Zahlungsmitteln. Derzeit arbeiten Banken und Kreditkartenunternehmen unter Hochdruck daran, Stablecoins in ihre Systeme zu integrieren. Ein weiterer Vorteil: Stablecoins sind (wie andere Kryptowerte auch) Web3-fähig. Man kann sie also für automatisierte Transaktionen außerhalb der teils vorsintflutlichen Banksysteme nutzen. Damit würde die Brücke zu Industrie 4.0 geschlagen.

Neben den inzwischen etablierten Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum gibt es viele sogenannte Memecoins (meist von Internet-Memes oder -Trends inspirierte Kryptowährungen). Wie bewerten Sie den Einfluss von Memecoins, wie beispielsweise dem Token des US-Präsidenten Donald Trump, auf die Seriosität und das Vertrauen in etablierte Kryptowährungen?
Das ist für die Kryptomärkte ein einziges Desaster. Memecoins sind das klassische Beispiel für das Marktvertrauen schädigende Entwicklungen, die MiCAR eigentlich eindämmen will. Es ist da natürlich nicht hilfreich, wenn der US-Präsident den Hype aktiv befeuert. Man muss sich im Klaren sein, dass Trump im Kryptobereich sehr aktiv ist und genau weiß, wie man hier Geld verdienen kann – und sei es mit selbst gesteuerten Manipulationen. Hier werden viele Leute viel Geld verlieren, bevor es besser wird.

Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.