Titelthema

Tech-Sektor: Kurzfristig anfällig, längerfristig aussichtsreich

Die derzeitige Situation an den Aktienmärkten belastet insbesondere die IT-Branche mit den höchsten Wachstumsperspektiven und damit auch den höchsten Bewertungen. Vor allem die zuletzt geradezu angesprungenen Bond-Renditen sorgen für Kursdruck. Da aber an den Märkten bereits ein immenses Zinserhöhungsbild eingepreist ist, sollte sich die Lage mittelfristig wieder beruhigen.

Aktuelle Lage
Im momentanen Umfeld sinkender Konjunkturerwartungen, einer galoppierenden Inflation sowie immer weiter steigender geopolitischer Risiken verlässt die Anleger zunehmend der Mut. Vor allem Titel mit hohen Bewertungen – oder umgekehrt: hohen in sie gesetzte Wachstumserwartungen – geraten immer stärker auf den Prüfstand. Solche befinden sich vornehmlich im IT (Informationstechnologie-)Sektor sowie den IT-nahen Segmenten Interaktive Medien und Online-Retail.

Vor allem die steigenden Inflationserwartungen haben die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen seit Jahresbeginn um 130 Basispunkte auf 1,1 Prozent nach oben getrieben. In den USA stieg die entsprechende Rendite sogar um 160 Basispunkte auf 3,1 Prozent. Die derzeitige negative Korrelation zu den Renditen sorgt also für zusätzlichen Kursdruck, denn der Barwert zukünftiger Gewinne, insbesondere wenn sie mit überdurchschnittlichen Erwartungen versehen sind, fällt mit dem Anstieg der Diskontierungssätze. Allerdings dürfte der inzwischen deutliche Kurswechsel der Notenbanken und hier insbesondere der Federal Reserve Bank in den USA, die in den vergangenen Monaten eine immer restriktivere Gangart eingeschlagen hatte, an den Märkten eingepreist sein. Dafür spricht auch der abrupte Kurswechsel an der Nasdaq vom 4. auf den 5. Mai. Als Fed-Präsident Jerome Powell die erwartete Leitzinsanhebung um 50 Basispunkte präsentiert hatte, gelang dem Nasdaq 100 ein Kurssprung um über 3 Prozent – um bereits am Folgetag mit neu aufkommenden Ängsten um 5 Prozent einzubrechen.

Ein weiteres Signal für eine Ausverkaufssituation dürfte exemplarisch die Kursreaktion der Infineon-Aktie auf die Vorlage des Quartalsergebnisses des deutschen Halbleiterspezialisten gewesen sein. Während zuvor starke Quartalszahlen, besonders in Kombination mit einem hoffnungsvollen Ausblick, am Markt stets positiv aufgenommen worden waren, gerieten die Infineon-Titel deutlich unter Kursdruck. Und dies, obwohl das Unternehmen mit einer guten Ergebnisentwicklung und einem angehobenen Ausblick bewiesen hatte, dass es den widrigen geopolitischen und makroökonomischen Umständen trotzen kann.

Besonderer Kursdruck nach langjähriger Outperformance
Die IT-Branche legte in den vergangenen vier Jahren eine beispiellose Outperformance an den internationalen Aktienbörsen vor. Beflügelt durch den vorherrschenden Trend der Digitalisierung erhielt der Sektor durch die Pandemie (Kontaktbeschränkungen, Arbeiten im Homeoffice, noch intensiveres Internetshopping) sogar noch einen weiteren Anschub. Letztendlich wies der Sektor, trotz des sehr hohen Indexgewichts, in den Jahren von 2018 bis 2021 eine Outperformance gegenüber dem MSCI-Welt von ca. 65 Prozent auf!

Am Jahresanfang begann die Wende, auch in der »Relativen Stärke« des Sektors. Mit zunehmenden Inflationsängsten sowie eines in der Form nicht erwarteten Strategiewechsels der US-Notenbank stiegen die Renditen deutlich an und überwanden schnell die Niveaus, die frühestens für das nächste Jahr erwartet worden waren.

Hatten die Phasen relativer Underperformance des IT-Sektors in den vergangenen Jahren stets Schnäppchenjäger auf den Plan gerufen, die schnell dafür sorgten, dass die Branche bald wieder zu den alten Kursständen zurückfand, so fehlt den Anlegern in der derzeitigen Gemengelage der Mut dazu, wieder beherzt zuzugreifen.

Die Summierung der Risikofaktoren Inflation, Bondrenditen, Ukraine-Krieg und Corona-Lockdowns in China hat letztendlich in der Phase, in der die Notenbanken sich eingestehen mussten, die inflationären Risiken unterschätzt zu haben, zu einem extremen Stimmungswechsel geführt. Hier besteht allerdings die Vermutung, dass auch in diese Richtung überzogen wird. Gerade die großen IT-Flaggschiffe, die weiterhin sehr gut verdienen, Investitionen zu großen Teilen aus dem eigenen Cashflow bestreiten und deren Wachstumsperspektiven auch im gegebenen Umfeld weiterhin hoch bleiben, werden zurzeit deutlich unter Wert geschlagen.

FAANG nicht gleichzusetzen mit IT
Waren lange Zeit die mobilen Computer-Anwendungen wesentliche Treiber der Branche, so hatte sich in den vergangenen Jahren Internet-Services immer stärker in den Vordergrund gedrängt. Ein Synonym für dieses Segment ist im weiteren Sinn der Begriff FAANG, unter dem die Highflyer des Segments (Facebook [Meta Platforms], Amazon, Apple, Netflix und Google [Alphabet]) zusammengefasst sind. Sie gehören momentan zu den bekanntesten, lange auch zu den sich am besten entwickelnden Titeln. Auch Twitter als wesentlich geringer kapitalisiertes Unternehmen ist zu diesem Kreis zu zählen.

Mit der neu entstandenen Branche Kommunikationsdienstleistungen wurde das Branchensegment Internet-Services komplett ausgegliedert und in diesen Sektor überführt. Die Schwergewichte Alphabet und Meta Platforms gehören neben Netflix zu dessen Flaggschiffen. Amazon ist als Topunternehmen des (Online-)Handels gleichzeitig neben Tesla der bestimmende Titel im Gebrauchsgütersegment. Somit ist aus dieser Gruppe lediglich Apple dem IT-Sektor zuzuordnen, was den wenigsten Anlegern bewusst ist.

Doch gerade bei den genannten Titeln summierten sich zuletzt massive Probleme. Angefangen bei vielen regulatorischen Beschränkungen über rückläufige/stagnierende Neukundenzahlen (Meta Platforms, Netflix) bereits im vierten Quartal des vorherigen Jahres bis hin zu rückläufigen Kundenzahlen (Netflix) sowie enttäuschenden Zahlen und reduzierten Ausblicken (Amazon) zum Jahresbeginn.

Laufende IT-Berichtssaison mit positiven Ergebnissen
Auch wenn klar sein dürfte, dass die Zahlen zum zweiten Quartal an Dynamik verlieren könnten, unterstreichen die Quartalsvorlagen vieler IT-Konzerne ihre Ausnahmestellung. Die US-Unternehmen der Branche schlagen zum derzeitigen Zeitpunkt der Berichtssaison die Erwartungen um immerhin 6 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresquartal konnten die Gewinne um 10 Prozent gesteigert werden.

Lässt man die Ergebnisse des Energiesektors außen vor, die im Rahmen der explodierenden Energiepreise mit einem Plus von knapp 260 Prozent die Statistik verfälschen, so liegt die durchschnittliche Gewinnsteigerung der IT-Unternehmen deutlich über dem Niveau des Gesamtmarkts (+1 Prozent).

Wichtiger erscheinen allerdings die momentanen Gewinnaussichten. Auch hier spiegeln sich die besonderen Perspektiven im weltweiten IT-Sektor wider. Der Konsensus erwartet hier eine Gewinnsteigerung von 11,5 Prozent im laufenden Jahr sowie ein weiteres Plus von 12 Prozent im Jahr 2023. Im Vergleich dazu liegen die Raten für den MSCI-Welt bei 7,9 Prozent respektive 7,6 Prozent.

Ausblick: Kurzfristig anfällig, längerfristig aussichtsreich
Natürlich stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie es mit dem Sektor weitergeht. Die bisher angeführten Gründe für die ungewöhnlich ausgeprägte Korrektur dürften deutlich machen, dass sich bisher noch keine Besserung bei den zahlreichen Belastungsfaktoren abzeichnet und es volatil bleiben sollte.

Technisch gesehen ist der Trend der Relativen Stärke des Technologiesektors vorerst eindeutig negativ einzuschätzen. Um hier eine erneute Wende einzuleiten, müssten sich endlich Entspannungssignale im derzeitigen Umfeld ergeben. So sollte der zuletzt dramatische Anstieg der Renditen für Staatsanleihen künftig an Momentum verlieren. Unsere Bondstrategen erwarten zum Jahresende eine 10-Jahres-Rendite von 1,1 Prozent in Deutschland und 3,3 Prozent in den USA, was zumindest dafür sprechen würde, dass die Bedingung erfüllt werden kann. Im Ukraine-Krieg wären Signale wichtig, dass ein russisches Gas-Embargo für Europa ein unwahrscheinliches Risikoszenario bleibt. Und mit Blick auf China sollte die Regierung aufgrund des zunehmenden Drucks auf die Konjunktur demnächst damit beginnen, ihre Null-Covid-Strategie langsam zu lockern. Dafür würde das Ende April angekündigte (aber noch nicht umgesetzte) Maßnahmenbündel des chinesischen Politbüros sprechen, mit dem es die Konjunktur ankurbeln und den schlimmsten Covid-Ausbruch in der Volksrepublik seit 2020 eindämmen will, der die Planerfüllung für das laufende Jahr infrage stellt.

Die Einzelwertauswahl bleibt wichtig
Auch wenn wir somit für die Branche vor allem auf längere Sicht weiterhin optimistisch gestimmt bleiben, dürfte es für eine Hochstufung des gesamten Sektors angesichts der momentanen Stimmungslage noch deutlich zu früh sein. Kurz vor Kriegsausbruch hatten wir unsere langjährig erfolgreiche Übergewichtung des Sektors in der Erwartung eines stärkeren Kursdrucks für höher bewertete Segmente auf ein neutrales Votum zurückgenommen. Somit kommt in der derzeitigen Marktlage der Gewichtung der einzelnen IT-Segmente sowie der Einzelwertauswahl weiterhin eine große Bedeutung zu.

Auswirkungen auf die einzelnen IT-Segmente

SOFTWARE: DIE DIGITALE TRANSFORMATION ERFORDERT IMMER MEHR SOFTWARE-EINSTZ – MIT UND OHNE CLOUD

Der zunehmende Einsatz von Software bzw. die Integration unter Cloud-Einsatz haben in den vergangenen zehn Jahren die IT-Ausgaben der Unternehmen signifikant ansteigen lassen. Dies lässt sich zum Beispiel auch an der kumulierten Börsenbewertung der an dieser Entwicklung profitierenden Software-Unternehmen ablesen, die mit Blick auf das Umsatzwachstum im genannten Zeitraum überproportional gegenüber den Unternehmen anderer Sektoren zulegen konnten.

Starkes – im zweistelligen Prozentbereich liegendes – Wachstum lieferten Unternehmen, die den direkten Absatz von Software anbieten konnten, insbesondere in den Jahren 2017 bis 2020. Unternehmen mit »Software as a Service«-Umsätzen (SaaS) legten vor allem in jüngerer Vergangenheit noch deutlich dynamischer zu. Software, die unter entsprechender Cloud-Anbindung in die IT-Landschaften und -Prozesse vor Ort integriert wird und mit der der Einsatz bzw. die (Teil-)Auslagerung auf externe Server bzw. in die Cloud verbunden ist, dürfte sich auch weiterhin einer starken Nachfrage erfreuen.

Grafik 1: Bewertung Software-Unternehmen

Der zu verteilende Kuchen ist riesengroß
Die Softwarebranche wird zunehmend als das zwingend erforderliche Bindeglied angesehen, um den noch in der Anfangsphase befindlichen Wettbewerb mit disruptiven und leistungserweiternden technologischen Fortschritten überhaupt erst ermöglichen zu können. Dieser Prozess wird angetrieben durch mehrere, teilweise zusammenwirkende und sich überlappende Innovationswellen, die zum Beispiel in Verbindung mit der Bereithaltung von Daten in der Cloud, flächendeckender Bereitstellung des 5G-Mobilfunks, dem Ausbau des Internets der Dinge, der erweiterten Anwendung von künstlicher Intelligenz, dem Quanten-Computing und Entwicklungen in der Augmented Reality (AR) bzw. Virtual Reality (VR) einhergehen.

Viele Marktteilnehmer sehen im Zuge der digitalen Transformation und der allgemeinen technologischen Weiterentwicklung das heute schon in Ansätzen erkennbare Metaverse. Das Metaverse soll künftig das Leben erleichtern, Menschen, Maschinen und Computer in der echten wie auch in der virtuellen Welt verbinden und gleichzeitig neue kreative Freizeitbeschäftigungen ermöglichen. Die zu erwartenden dramatischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen werden damit allein in den nächsten zehn Jahren geschätzt mehrere 1.000 Milliarden US-Dollar an zusätzlichem Transaktionspotenzial bei den in die Prozesse involvierten Software-Unternehmen generieren.

Grafik 2: Umsatzwachstum nach Sektoren

Software-Aktien stehen für starkes Wachstum
Microsoft hat mit seiner jüngsten Berichterstattung exemplarisch dafür gesorgt, dass die Aktien des IT-Untersektors Software nicht abgeschrieben werden dürfen. Microsoft lieferte überzeugende bzw. besser als erwartete Zahlen für das Ende März abgelaufene zweite Quartal des Geschäftsjahrs 2021/2022. Auffallend zeigte sich eine starke Wachstumsdynamik beim Big-Tech-Unternehmen, das operativ neben dem klassischen Geschäft mit Computer-Betriebsprogrammen (Windows), dem Vertrieb von Büro- und Sicherheitssoftware (Office 365) auch längst mit der Bereitstellung der Datenwolke Azure und den diesbezüglichen Cloud-Anwendungen deutlich glänzen konnte. Nicht nur Microsoft, sondern der gesamte Sektor zeigte sich in den vergangenen Jahren bei der Durchführung umfangreicher M&A-Transaktionen mehr als aktiv.

Der Appetit auf Technologie- bzw. technologienahe Unternehmen hat auch Anfang des Jahres 2022 nicht nachgelassen. Microsoft greift im Rahmen einer 69 Milliarden US-Dollar-schweren Übernahme nach dem Gaming-Unternehmen Activision Blizzard. Elon Musk will Twitter für 44 Milliarden US-Dollar kaufen und Brookfield erwirbt CDK Global für 8,3 Milliarden US-Dollar. Zudem hat die auf »Software und Technology« spezialisierte Private-Equity-Firma Thoma Bravo die Übernahmen der Software-Unternehmen Anaplan (10,7 Milliarden US-Dollar) und SailPoint (6,9 Milliarden US-Dollar) angekündigt. Es ist auffallend, dass die Käufer im Rahmen der geplanten Übernahmen auch weiterhin bereit sind, die aufgerufenen – und vergleichsweise immer noch hohen – Unternehmensbewertungen zu akzeptieren.

Softwarebudgets bleiben hoch – Aktienbewertungen kommen zurück
Um in den Unternehmen eine dauerhaft optimierte IT-Wertschöpfung gewährleisten zu können, bleibt die Erneuerung bzw. Ergänzung von Software regelmäßig die erste Wahl und gleichzeitig eines der zentralen wertsteigernden Elemente überhaupt. Im Moment zeigt sich das zum Beispiel in einem stark ansteigenden Bedarf nach Security-Anwendungen und Power-Applikationen (zum Beispiel für den Datacenter-Betrieb) und im Zusammenhang mit den vielfältig eingesetzten Cloud-Auslagerungen, die nicht nur dabei helfen sollen, effektivere Prozessabläufe aufzusetzen, sondern auch die IT-Kosten mittel- und langfristig senken zu können. Entsprechend gewinnen die Direktinvestitionen in Software immer mehr an Bedeutung. Sie werden längst anteilig höher in den IT-Budgets der Unternehmen berücksichtigt bzw. gewichtet.

Grafik 3: Top-10-Übernahmen im Softwarebereich über 1 Milliarde US-Dollar (2002–2021)

Kennzahl: Unternehmenswert im Verhältnis zum Gewinn der vergangenen zwölf Monate

Das Analysehaus Gartner hat bereits im Jahr 2020 berechnet, dass in den Jahren bis 2025 das jährliche Wachstum der in den Unternehmen getätigten Software-Ausgaben um jeweils durchschnittlich 15 Prozent steigen soll. Konkrete Zahlen belegen überproportional steigende Investitionen in die Anwendungsbereiche von Software im Vergleich zu den allgemeinen Mehrausgaben für IT insgesamt. Hier lag das berechnete Plus bei knapp 6 Prozent p.a. Entsprechend stehen die Unternehmen des Segments Software – vor allem auch im Vergleich zu den Aussichten des gesamten IT-Sektors – für ein erwartetes nachhaltiges bzw. kontinuierliches Wachstum, eine langfristig überdurchschnittlichere Rentabilität und zurzeit nach dem deutlichen Rückgang der Aktienkurse zusätzlich auch wieder vermehrt für ein in der Gesamtheit moderates Bewertungsprofil.

Zum Ende der Quartalsberichtssaison gab es – trotz des widrigen makroökonomischen Gegenwinds und der zunehmenden Belastung durch eine für amerikanische Unternehmen ungünstige Währungsentwicklung (starker US-Dollar) – noch gute Nachrichten bei den Softwareriesen Salesforce und Oracle. Beide Unternehmen vermeldeten stärker als erwartete Zahlen und auch beim Ausblick lief es jeweils deutlich besser als befürchtet. Der Auftragsbestand bleibt überraschend hoch und insbesondere das mit der Cloud in Zusammenhang stehende Software- und Anwendungsgeschäft wächst dynamisch und erfreut sich einer nicht nachlassenden Nachfrage.

HALBLEITER UND HARDWARE: LANGFRISTIGE CHANCEN ÜBERWIEDEN KURZFRISTIGE RISIKEN

Hohe Nachfrage nach Halbleitern und Hardware trifft auf Lockdowns in China und anhaltende Lieferengpässe
Die durchweg gute Berichtssaison zum ersten Quartal sowie in großen Teilen konstruktive Ausblicke für das Juni-Quartal konnte den anhaltenden Kursverfall von Halbleiter- und Hardware-Aktien nicht bremsen. Das kann darauf zurückgeführt werden, dass Branchengrößen wie zum Beispiel Apple, Samsung oder Intel warnten, die weiterhin hohe Nachfrage könne nicht ausreichend bedient werden. Hauptgründe sind die viel diskutierten Lockdowns in China (Nachfrage- und Produktionsausfälle) sowie Lieferengpässe (Verzögerungen bei Logistik und Verfügbarkeit von Vorprodukten), die nach unserer Meinung auch weiterhin belasten werden.

Kapazitätsausbau zur Beseitigung der Chip-Knappheit schreitet weiter voran
Die Halbleiterindustrie ist dabei sowohl Leidtragende als auch ein Auslöser der Knappheit von Komponenten. Schon vor Corona sah sich die Branche einer explosionsartig gestiegenen Nachfrage nach neuen halbleiterintensiven Lösungen gegenüber, zum Beispiel für die Elektrifizierung und Digitalisierung von Autos.

Halbleiterhersteller können allerdings nur bedingt flexibel auf kurzfristige Nachfrageänderungen reagieren, da die fertigungsbedingten Produktionszeiten von Halbleitern bei ca. zwei bis drei Monaten liegen und für Erweiterungen von Kapazitäten 6 bis 18 Monate veranschlagt werden müssen.

Die Industrie trägt den strukturell und langfristig guten Wachstumsaussichten, aber auch der De-Globalisierung und der Lokalisierung von Lieferketten Rechnung mit einem deutlichen Kapazitätsausbau bereits heute und auch in den nächsten Jahren. Davon profitieren speziell die Anlagenhersteller, wie zum Beispiel ASML – der Marktführer im Bereich Halbleiter-Lithografie. Das Unternehmen hat bereits angekündigt, seine Kapazitäten zur Herstellung von Anlagen bis 2025 wahrscheinlich deutlich stärker als geplant zu erweitern.

Grafik 4: Investitionen in Halbleiterkapazitäten steigen – Risiko temporärer Kapazitätsunterauslastungen wächst

Um eine optimale Auslastung zu ermöglichen, werden die Kapazitäten graduell über mehrere Jahre hochgefahren. Dennoch reflektieren die momentanen Aktienkurse die Erwartungen der Investoren, dass es zu Unterauslastungen aufgrund einer in Teilen nachlassenden Nachfrage im zweiten Halbjahr 2022 und im Jahr 2023 kommt.

Risiko der temporären Abschwächung des Wachstums bei zyklischen konsumgetriebenen Produkten
Die »reale«, das heißt die Nachfrage bereinigt um doppelte Aufträge, übersteigt zurzeit weiterhin in nahezu allen Bereichen die Produktionskapazitäten. Die Orderbücher sind gut gefüllt und wir gehen davon aus, dass die Auftragsdynamik aufgrund von Treibern wie zum Beispiel autonomes Fahren, Cloud-Computing oder 5G-Applikationen nachhaltig ist und langfristig auf einem hohen Niveau bleibt.

Basierend auf jüngsten Quartalsmitteilungen von Qorvo, Skyworks oder Intel mehren sich aber die Anzeichen, dass die Markterwartungen für stark konsumabhängige Produkte wie zum Beispiel Smartphones/Tablets oder PCs/Notebooks für das zweite Halbjahr und für 2023 zu hoch sein könnten. Der Anteil dieser besonders konsumabhängigen Produktgruppen, die zu Teilen durch die Pandemie sogar profitiert haben, ist mit ca. 30 Prozent (unsere Prognose) des globalen Halbleitermarkts durchaus signifikant.

Exzellente mittel- und langfristige Wachstumssausichten des Halbleitermarkts weiterhin voll intakt
Trotz kurzfristiger Risiken sind die guten mittel- und auch langfristigen Aussichten für die Halbleiterindustrie, mit einem prognostizierten Wachstum von ca. 7 Prozent pro Jahr, weiter intakt und durch eine Reihe von Megatrends sehr gut unterlegt.

Basierend auf einer Analyse von McKinsey (The semiconductor decade: A trillion-dollar industry, April 2022) stehen drei Endmärkte für ca. 70 Prozent des erwarteten Wachstums bis zum Jahr 2030: Automobil (unter anderem Elektrifizierung des Antriebs und autonomes Fahren), Computing und Data Storage (unter anderem künstliche Intelligenz und Cloud-Computing) sowie Wireless (unter anderem 5G-Netzwerke/Applikationen und mobile Endgeräte). Wichtig ist, dass neben dem Wachstum der Stückzahlen auch der Anteil von Halbleitern pro Produkt stark ansteigt, zum Beispiel auf 4.000 US-Dollar pro Auto (vollautonomes Fahren und Elektrifizierung des Antriebs) gegenüber 500 US-Dollar (assistiertes Fahren und Verbrennungsmotor).

Grafik 5: Wachstumserwartungen für zyklische konsumabhängige Produkte zu optimistisch?

Jährliches globales Volumenwachstum für PC/Smartphones pro Quartal

Wir sind überzeugt, dass die langfristigen und nachhaltigen Wachstumschancen des Sektors weiter intakt sind und sich mittelfristig wieder zu einer besseren Performance der Halbleiter und Hardwareaktien führen. Kurzfristig sehen wir allerdings das Risiko anhaltender Lieferengpässe und einer nachlassenden Wachstumsdynamik speziell bei konsumabhängig zyklischen Produkten, die Spuren in den Ausblicken der Unternehmen für das zweite Halbjahr und für 2023 hinterlassen könnten. Unserer Einschätzung nach sollte beim momentanen Bewertungsniveau (Philadelphia Semiconductor Index [SOX] KGV von ca. 12x für 2023) eine Bestätigung der Ausblicke für 2022 im Lauf des Septembers hinreichend sein, um zumindest eine Bodenbildung der Kurse einzuleiten. Leicht positivere Impulse, getragen durch die soliden Orderbücher und weiterhin gute Auftragseingänge für 2023 erwarten wir allerdings erst gegen Ende 2022.

Auch vor dem Hintergrund der positiven Wachstumschancen für den gesamten Sektor bleiben wir bei unserer Einschätzung, dass die Auswahl von Einzeltiteln der Schlüssel zum Erfolg ist. Wir setzen bei den von uns votierten Titeln weiterhin auf europäische (ASML) und US-amerikanische (NVIDIA) Marktführer.

Exkurs: E-Commerce-Plattformen
Zu den in den vergangenen Wochen besonders abgestraften Unternehmen gehören auch E-Commerce-Plattformen, die im eigentlichen Sinn zwar nicht direkt zur Technologiebranche gezählt werden, allerdings deutliche Parallelen aufweisen. So basieren die Geschäftsmodelle häufig auf selbst entwickelter Technologie, die teilweise auch in Form von zum Beispiel Cloud-Diensten (Amazon, Alibaba) vertrieben wird, und das strukturelle Wachstum führt zu marktüberdurchschnittlichen Bewertungen. Aufgrund des Wachstumsprofils ist die Sensitivität der Bewertungsmodelle hinsichtlich Zinsanstieg sehr ähnlich. Dazu kommen konjunkturelle oder strukturelle Nachfragekomponenten privater Haushalte.

Grafik 6: Nerven sind auch bei E-Commerce-Plattformen gefragt

5 Jahre, indexiert, lokale Währungen

Stand: 22. Juni 2022; Quelle: FactSet, Commerzbank Research
Frühere Wertentwicklungen sind kein Indikator für die künftige Wertentwicklung. Weitere Informationen zu der hier dargestellten Wertentwicklung entnehmen Sie bitte den Angaben in den Rechtlichen Hinweisen.

Als Pandemiegewinner haben Onlinehändler in den vergangenen beiden Jahren besonders während der Lockdown-Phasen von einer Sonderkonjunktur mit einer abrupten Nachfrageverschiebung ins Internet profitiert. Zwar zeigt der Langfristvergleich, dass diese Phase nicht immer bzw. nur anfangs mit neuen Höchstständen honoriert wurde. Nun gilt es aber, den Wachstumsschub zu verdauen. Das heißt, die Wachstumsraten normalisieren bzw. verlangsamen sich oder werden kurzzeitig aufgrund hoher Vergleichsbasen sogar negativ. Der pandemiebedingte Kostenschub konnte zunächst gut verdaut werden, liegt nun aber etwas stärker im Magen, denn das bereits beschriebene Umfeld belastet nun zusätzlich. Entsprechend enttäuschend waren die Ausblicke beispielsweise von Amazon und ebay.

Die Logistik- und Lieferproblematik dürfte sich mit dem Ende des harten Corona-Lockdowns in China im späteren Jahresverlauf sukzessive entspannen, auch zahlreiche Kostenblöcke sollten in den nächsten zwei bis drei Quartalen durch die Optimierung von Prozessen/Versorgungswegen adressiert werden. Das Risiko weiter steigender Energiepreise mit nachteiligem Einfluss auf die Konjunktur wiegt da schwerer. Ein Ende des Zinserhöhungszyklus würde eine rasche Erholungsbewegung unterstützen.

Ungeachtet dessen gehen wir mittel- und langfristig von einer Fortsetzung der Wachstumsstory des E-Commerce aus, denn der Onlinehandel wird auch weiterhin in immer mehr Produktkategorien expandieren, die Prozesse und Zugangsgeräte werden immer leistungsfähiger und die ins Erwerbsleben eintretenden jüngeren Generationen haben ein immer intensiveres Verhältnis zu Internet und Technologie. Mit Erreichen einer Bodenbildung bevorzugen wir Amazon und Zalando, Alibaba kämpft trotz einer optisch sehr günstigen Bewertung neben der regulatorischen Unsicherheit und der auch dem vorherigen Lockdown in China geschuldeten Wachstumsverlangsamung weiter mit dem US-Delisting-Risiko, weshalb wir weiterhin zurückhaltend bleiben.

Schlüssel des Erfolgs bleibt die Selektion der Einzelwerte
Der weiterhin mehr als intakte Trend hin in eine zunehmend digitalisierte Welt wird technologieaffine Aktien auch künftig antreiben. In einem insgesamt noch in der Anfangsphase befindlichen Wettbewerb der disruptiven und leistungserweiternden technologischen Fortschritte gilt es, die strukturellen und nachhaltigen Profiteure unter den IT- und technologienahen Unternehmen zu finden. Wir bleiben für die Aktien der Technologiebranche – wie auch für bestimmte Aktien außerhalb des Sektors mit sehr hohem technologischem Bezug im Gesamtportfolio (zum Beispiel Alphabet) – spätestens auf längere Sicht optimistisch gestimmt. Um die richtigen und nachhaltigen Gewinner herauszufiltern, kommt im momentanen Umfeld der richtigen Einzelwertauswahl eine immer größer werdende Bedeutung zu.

Im Sub-Sektor Software gilt ein Investment in das breit aufgestellte Unternehmen Microsoft als unsere erste Wahl. Im Segment der Halbleiter bzw. unter den Hardwareunternehmen sehen wir bei den von uns votierten Titeln derzeit die größten Chancen bei den Aktien von NVIDIA (USA) und ASML (Europa).

In der zweiten Reihe zählen Apple, Qualcomm, Salesforce sowie Infineon zu den von uns präferierten Aktien. Eher unter einem längerfristigen Blickwinkel betrachtet gefällt uns unter den Telekommunikations- bzw. Netzwerkausrüstungsunternehmen auch Cisco Systems, und auch beim Technologie-Allrounder Samsung Electronics lohnt zumindest ein Blick auf die zurzeit sehr niedrige Bewertung.

Fazit
Die derzeitigen Verwerfungen an den Aktienbörsen dürften sich vorerst so lange weiter fortsetzen, bis eine diplomatische Lösung im Ukraine-Konflikt gefunden wird, die chinesische Regierung ihre rigide Null-Covid-Strategie zurückfährt bzw. Konjunkturoptimismus aufkommt oder die inflationären Tendenzen in Schach gehalten werden können. Solange sich hier also keine Entspannung abzeichnet, dürften in der lange Jahre erfolgreichen IT-Branche eher immer wieder aufkeimende Gewinnmitnahmen als Neuinvestments angesagt sein. Allerdings bietet die weiter sehr volatile Phase angesichts der langfristig überragenden Wachstumsperspektiven der Branche auch attraktive Möglichkeiten zum Positionsaufbau. Besondere Chancen sehen wir dabei im Softwaresegment. Die zuletzt sehr hohe Bewertung ist durch die Kursreaktionen seit Jahresbeginn zurückgekommen und besonders bei Einzelwerten sehen wir bereits attraktive Einstiegschancen.

Produktidee: PARTIZIPIEREN SIE AN DER ENTWICKLUNG ausgewählter TECH-AKTIEN

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Da die von Société Générale angebotenen Produkte in Euro notieren, der Handelspreis von US-Unternehmen in US-Dollar, besteht für den Investor ein Währungsrisiko. Ein steigender Euro/US-Dollar-Wechselkurs wirkt sich negativ auf den Wert des Produkts aus. Um das Wechselkursrisiko für den Anleger auszuschalten, bietet Société Générale in der Regel neben einer nicht währungsgesicherten Variante (Non-Quanto) auch eine währungsgesicherte bzw. währungsoptimierte (Quanto) Variante an. Allerdings ist hier zu beachten, dass für die Währungssicherung Kosten anfallen können, die den Wert des Produkts mindern. Anleger haben also die Wahl, sollten aber bedenken, dass bei der währungsgesicherten Variante neben dem Risiko natürlich auch die Chance entfällt, mit einem fallenden Euro/US-Dollar-Wechselkurs eine höhere Rendite zu erzielen.

Discount-Zertifikate

WKN

Basiswert

Cap

Discount

Max. Rendite p.a.

Bewertungstag

Quanto

Geld-/Briefkurs

SH7 SKC

Microsoft

200,00 USD

27,87 %

8,35 %

16.06.2023

Nein

174,71/174,77 EUR

SH7 SFP

Microsoft

200,00 USD

26,13 %

5,88 %

16.06.2023

Ja

188,86/188,93 EUR

SH7 SK4

NVIDIA

150,00 USD

25,23 %

21,16 %

16.06.2023

Nein

117,05/117,11 EUR

SH7 SFX

NVIDIA

150,00 USD

23,57 %

18,37 %

16.06.2023

Ja

126,61/126,68 EUR

SH7 F55

ASML

400,00 EUR

23,38 %

11,75 %

16.06.2023

357,63/357,80 EUR

SH7 SG5

Apple

140,00 USD

13,61 %

17,88 %

16.06.2023

Nein

112,29/112,35 EUR

SH7 SFJ

Apple

140,00 USD

11,57 %

15,22 %

16.06.2023

Ja

121,40/121,46 EUR

SH7 SLP

Qualcomm

120,00 USD

18,52 %

20,39 %

16.06.2023

Nein

94,19/94,29 EUR

SH7 SLW

Salesforce

150,00 USD

22,49 %

14,66 %

16.06.2023

Nein

123,71/123,77 EUR

SH7 SF7

Salesforce

150,00 USD

20,46 %

11,85 %

16.06.2023

Ja

134,03/134,08 EUR

SH7 GAF

Infineon

23,00 EUR

18,02 %

16,18 %

16.06.2023

19,77/19,78 EUR

BEST Turbo-Optionsscheine

WKN

Basiswert

Typ

Basispreis/Knock-Out-Barriere

Hebel

Laufzeit

Quanto

Geld-/Briefkurs

SN1 S7L

Microsoft

Call

215,5606 USD

6,1

Unbegrenzt

Nein

3,95/3,96 EUR

SH6 TML

Microsoft

Put

289,0992 USD

7,6

Unbegrenzt

Nein

3,16/3,17 EUR

SH6 5F1

NVIDIA

Call

140,8968 USD

6,3

Unbegrenzt

Nein

2,46/2,47 EUR

SN1 SW0

NVIDIA

Put

187,7870 USD

7,1

Unbegrenzt

Nein

2,22/2,23 EUR

SN3 BN3

ASML

Call

417,6931 EUR

8,9

Unbegrenzt

5,25/5,27 EUR

SN1 NW0

ASML

Put

524,8506 EUR

7,8

Unbegrenzt

5,97/5,99 EUR

SD0 1YZ

Apple

Call

118,0252 USD

6,8

Unbegrenzt

Nein

1,90/1,91 EUR

SH6 468

Apple

Put

155,2083 USD

7,7

Unbegrenzt

Nein

1,70/1,71 EUR

SF4 CHG

Qualcomm

Call

108,1017 USD

7,8

Unbegrenzt

Nein

1,47/1,48 EUR

SN1 QS5

Qualcomm

Put

141,4850 USD

6,3

Unbegrenzt

Nein

1,82/1,83 EUR

SH8 44C

Salesforce

Call

149,7033 USD

8,2

Unbegrenzt

Nein

1,95/1,96 EUR

SN1 SXW

Salesforce

Put

186,0498 USD

9,7

Unbegrenzt

Nein

1,64/1,65 EUR

Stand: 22. Juni 2022; Quelle: Société Générale

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die maßgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.sg-zertifikate.de zur Verfügung. Den Basisprospekt sowie die endgültigen Bedingungen und die Basisinformationsblätter erhalten Sie bei Klick auf die WKN.

Sie sind im Begriff, ein komplexes Produkt zu erwerben, das nicht einfach ist und schwer zu verstehen sein kann. Bitte beachten Sie, dass bestimmte Produkte nur für kurzfristige Anlagezeiträume geeignet sind. Wir empfehlen Interessenten und potenziellen Anlegern, den Basisprospekt und die Endgültigen Bedingungen zu lesen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen, um sich möglichst umfassend über die potenziellen Risiken und Chancen des Wertpapiers zu informieren, insbesondere, um die potenziellen Risiken und Chancen der Entscheidung, in die Wertpapiere zu investieren, vollends zu verstehen. Die Billigung des Basisprospekts durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist nicht als ihre Befürwortung der angebotenen Wertpapiere zu verstehen.