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Teil 4 – Nominelle Kapitalerhöhung: Gratisaktien für Altaktionäre

Im aktuellen Teil der Beitragsreihe »Kapitalmaßnahmen von A bis Z« möchten wir im Folgenden über die nominelle Kapitalerhöhung und ihre Auswirkungen sprechen.

Kurz zur Erinnerung: Bei Kapitalmaßnahmen handelt es sich um Maßnahmen einer Aktiengesellschaft, welche die Kapital- und Stimmrechtsanteile der Aktionäre betreffen. Dabei kann es beispielsweise zu einer Veränderung des Grundkapitals kommen oder zu einer Veränderung in der Aktien- und Stimmrechtsstruktur.

Im Gegensatz zu der bereits vorgestellten ordentlichen Kapitalerhöhung (ideas-Ausgabe Mai 2017) fließen bei der nominellen Kapitalerhöhung der Gesellschaft keine Mittel von außen zu. Die Erhöhung des Kapitals wird allein aus Gesellschaftsmitteln bestritten. Dies gelingt durch eine Umschichtung der Mittel innerhalb der Passivseite der Bilanz, somit spricht man hier auch von einer Innenfinanzierung. Bei der Umschichtung werden die Gewinn- und Kapitalrücklagen in Grundkapital der Gesellschaft umgewandelt. Doch welche Auswirkungen hat diese Umschichtung bei der nominellen Kapitalerhöhung für die bestehenden Aktionäre? Die technische Umsetzung dieser Art der Kapitalerhöhung erfolgt über die Emission von sogenannten Gratisaktien, auch Bonusaktien oder Berechtigungsaktien genannt. Die Altaktionäre bekommen für eine bestimmte Anzahl von Altaktien eine (oder mehrere) Gratisaktien dazu. Somit bezieht sich das einbezahlte Kapital jetzt auf mehr Aktien als vor der entsprechenden Maßnahme. Als Folge sinkt der Aktienkurs.

Um wie viel sinkt der Aktienkurs eigentlich? Die Rechnung ist relativ simpel. Der theoretische neue Aktienkurs kann wie folgt ermittelt werden:

Aktienkurs (neu) = Aktienkurs (alt) x (Anzahl von alten Aktien / Anzahl von neuen Aktien)

Den Tag, ab dem die Kapitalerhöhung wirksam ist, bezeichnet man als »Ex-Tag«. Die nominelle Kapitalerhöhung stellt einen rein buchungstechnischen Vorgang dar. Das Vermögen der Aktionäre bleibt daher unverändert.

Eine Frage, die sich Aktionäre dennoch stellen sollten, lautet: Was sind die Motive der Aktiengesellschaft für solch eine Kapitalerhöhung?
Durch die Kapitalerhöhung erhöht sich das entsprechende Haftungskapital der Gesellschaft (das bedeutet geringeren Schuldenanteil). Der Kursrückgang der Aktie verbessert ihre Fungibilität, das heißt, die Aktie ist optisch günstiger. Ein Grund könnte sein, dass sich das Unternehmen durch den optisch günstigeren Aktienkurs erhofft, dass die Aktie attraktiver scheint und somit stärker nachgefragt wird. Die Reduzierung des Aktienkurses könnte auch bei einer geplanten Fusion als psychologisch günstig gewertet werden. Ein anderer Grund könnte der Dividendenpolitik geschuldet sein. Denn durch den günstigeren Aktienkurs reduziert sich die jeweilige Dividendenrendite, wenn die Dividendensumme konstant bleibt und sich entsprechend auf mehr Aktien verteilt.

Doch welche Folgen hat eine nominelle Kapitalerhöhung für Zertifikate und Optionsscheine?
Da der Aktienkurs fällt, muss es, wie bei einer effektiven Kapitalerhöhung, zur Anpassung der Produkte mittels des sogenannten »R-Faktors« kommen. Die Berechnung des R-Faktors ist einfacher als bei einer effektiven Kapitalerhöhung. Um den Wert des Anpassungsfaktors zu ermitteln, werden die alte und die neue Aktienanzahl ins Verhältnis gesetzt:

R-Faktor = Anzahl alte Aktien / Anzahl neue Aktien

Der R-Faktor wird analog zu einer effektiven Kapitalerhöhung angewendet. Somit werden in der Regel der Basispreis eines Optionsscheins, der Cap eines Discount-Zertifikats und der Cap bzw. die Barriere eines Bonus-Zertifikats mit dem R-Faktor multipliziert, während das Bezugsverhältnis durch den R-Faktor dividiert wird. Bei den Turbo-Zertifikaten hingegen bleibt in der Regel das Bezugsverhältnis unverändert. Die Preisdifferenz zwischen dem alten und neuen Aktienkurs wird vom jeweiligen Basispreis und der Knock-Out-Barriere abgezogen, um den aktuellen Basispreis und die aktuelle Knock-Out-Barriere zu ermitteln.

Beispiel
»Im April 2012 hatte die Vivendi S.A. die Ausgabe von Gratis- bzw. Bonusaktien im Verhältnis von einer neuen Aktie für 30 alte Aktien beschlossen. Ex-Tag war der 9. Mai 2012.«

Der R-Faktor wurde wie folgt errechnet:

R = Anzahl alte Aktien / Anzahl neue Aktien = 30 / 31 = 0,9677419

Die untenstehenden Tabellen verdeutlichen anhand von Beispielen damals, wie die einzelnen Produkttypen der Commerzbank bei der Vivendi-Kapitalmaßnahme angepasst wurden.

Tabelle 1: Anpassung von Optionsscheinen und Turbo-Zertifikaten auf Vivendi S.A.

Typ

Basiskurs alt

Basiskurs neu

Knock-Out-Barriere alt

Knock-Out-Barriere neu

Bezugsverhältnis  alt

Bezugsverhältnis  neu

Optionsschein

16,000 EUR

15,480 EUR

1

1,033333

Optionsschein

20,000 EUR

19,350 EUR

0,1

0,103333

Unlimited Turbo-Zertifikat

11,456 EUR

11,027 EUR

12,055 EUR

11,626 EUR

1

1

Unlimited Turbo-Zertifikat

22,267 EUR

21,838 EUR

21,235 EUR

20,806 EUR

0,1

0,1

Quelle: Commerzbank

Tabelle 2: Anpassung von Optionsscheinen und Turbo-Zertifikaten auf Vivendi S.A.

Typ

Cap alt

Cap neu

Bonuslevel alt

Bonuslevel neu

Barriere  alt

Barriere  neu

Bezugs-
verhältnis  alt

Bezugs-
verhältnis  neu

Classic Discount-Zertifikat

18,50 EUR

17,90 EUR

1

1,033519*

Classic Bonus-Zertifikat

15,50 EUR

15,00 EUR

8,00 EUR

7,74 EUR

1

1,033333*

Capped Bonus-Zertifikat

17,00 EUR

16,45 EUR

17,00 EUR

16,45 EUR

11,50 EUR

11,12 EUR

1

1,033435*

Quelle: Commerzbank

*Wird ein Discount- oder Bonus-Zertifikat in Aktien zurückgezahlt, erfolgt der Bruchteil der Rückzahlung in bar, da die Zertifikate-Inhaber einen Anspruch auf mehr als eine Aktie haben.